Wie Nachwuchsgewinnung und Fachkräfteförderung im Baugewerbe gelingen
Hier veröffentlicht ist eine überarbeitete Version des Beitrags aus dem Magazin.
Fragt man beim Bildungswerk BAU Hessen-Thüringen e. V. (BiW) nach aktuellen Projekten, so kann das Team des BiW auf eine ganze Reihe von Kampagnen-, Messe-, Camp-, Nachwuchsgewinnungs- und Digitalisierungskonzepte verweisen. Über einige davon berichten sie hier im Magazin.
Seit 2016 ist das BiW ein von WorldSkills Germany zertifiziertes Leistungszentrum für die Bauberufe. Das Team des BiW verfügt über umfangreiche Kompetenzen in den Bereichen Bau- und Baumaschinentechnik, Rohrleitungs- und Anlagenbau, Metall- und Kunststoffverbindungen, Baumanagement, Arbeitssicherheit und Umwelttechnik sowie Freileitungsbau. Mit seinem Hauptsitz in Erfurt und fünf weiteren Bildungszentren ist das BiW seit fast 90 Jahren etabliert und bietet überbetriebliche Aus- und Weiterbildung in insgesamt 19 Berufen an.
Das BiW ist eine in Thüringen und Hessen ansässige Non-Profit-Bildungseinrichtung. Mit seinen Mitgliedern vertritt das BiW insgesamt mehr als 3.000 Unternehmen der Bauwirtschaft aus Industrie und Handwerk, die meisten davon sind kleine und mittelständische Betriebe. Im Bereich der Aus- und Weiterbildung bietet das BiW seine Leistungen bereits seit über 80 Jahren erfolgreich an und sieht sich dabei als Bindeglied zwischen allen Akteuren der Bauwirtschaft, mit einem übergreifenden leistungsfähigen Netzwerk aus Kammern, Verbänden, Hochschulen und Universitäten, Bildungsinstituten sowie Ministerien – national und international. BiW ist zertifiziert nach DIN EN ISO 9001:2015 und besitzt die Trägerzulassung nach AZAV.
Digi-Bau und Digi-Town bringen Digitalisierung in den Ausbildungsalltag
Auf dem 35.000 m² großen Gelände, z. B. im Aus- und Fortbildungszentrum Erfurt, vermitteln die Lehrkräfte des BiW theoretisches und praktisches Wissen in modernen Werkstätten mit 120 Theorie- und 340 Praxisplätzen in fünf Hallen. Eine besonders spannende Entwicklung ist die komplett digitale Ausbildung in allen Bauberufen. Über die firmeneigene Lernplattform “Digi-Bau” können die Auszubildenden auf ihrem Tablet auf Unterrichtsaufgaben und mit digitaler Technik, u. a. Drohnen, aufgenommene Erklärvideos zugreifen. Diese digitale Ausbildung erleichtert auch fremdsprachigen Auszubildenden das Verständnis und fördert die Verbindung zwischen analogem und digitalem Arbeiten in der Baubranche.
„Mit unserer eigenen patentgeschützten Lernplattform ‘Digi-Town’ gehen wir noch einen Schritt weiter: Wir haben den Lehrbauhof des BiW in Erfurt vollständig digitalisiert. Die Auszubildenden können virtuell in Gebäude eintauchen, Änderungen vornehmen und die Auswirkungen auf die verschiedenen Gewerke beobachten“, erklärt Karl-Heinz Pfündner.
Engagement für Fachkräfteförderung durch Berufswettbewerbe
„Titel, Medaillen und Anerkennungen bei nationalen und internationalen Berufswettbewerben in den Bauberufen sind das eine, aber mit motivierten, talentierten und leistungsfähigen Fachkräften die ‚Bauwende‘, die ‚Energiewende‘ oder die ‚Klimawende‘ vorantreiben, das andere. Wir zeigen jeden Tag, dass ‚BAU – Dein Ding‘ sein kann“, benennt Karl-Heinz Pfündner seine Motivation für den Einsatz als Leiter des BiW weiter.
Eine enge Verflechtung mit WorldSkills Germany besteht bereits seit der Organisation der WM der Berufe 2013 in Leipzig. Auch war Karl-Heinz Pfündner ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender von WorldSkills Germany aktiv. „Unsere größte Baustelle in Deutschland ist die Zukunft. Wer sollte den Weg in die Zukunft bauen, wenn nicht wir vom Bau! Deshalb engagieren sich BiW und WorldSkills Germany seit Jahren erfolgreich für die Bauwirtschaft und die Entwicklung ihres Nachwuchses.“ So ist das Bildungswerk nicht nur Leistungszentrum und damit Trainingsort für EuroSkills- und WorldSkills-Teilnehmer*innen. In der Vergangenheit kam hier des Öfteren auch die gesamte Deutsche Berufe-Nationalmannschaft zusammen, um sich auf die internationalen Berufswettbewerbe vorzubereiten.
Enge Kooperation mit Schulen und Unternehmen
In seiner täglichen Arbeit legt das BiW auch großen Wert auf die Gewinnung und Förderung von Nachwuchskräften für die Bauwirtschaft. Mit dem Programm „BliK“ (Bauberufe live im Klassenzimmer) wird niedrigschwellig und ohne großen Aufwand direkt in Schulen für die Bauberufe geworben. Durch einen Livestream aus dem laufenden Betrieb können die Schüler*innen das Ausbildungspersonal und Auszubildende direkt befragen.
Darüber hinaus wirbt das BiW mit der eigenen bundesweiten Nachwuchskampagne „BAU – Dein Ding!“ öffentlichkeitswirksam für den dringend benötigten Nachwuchs. Mit der Gewinn-Bau-Messe, der größten Branchenmesse zur Nachwuchsgewinnung im Bundesgebiet, setzt das BiW einen weiteren Höhepunkt. Rund 100 Unternehmen stellen den bis zu 1.500 bauinteressierten Schüler*innen die über 500 freien Ausbildungsplätze vor und binden die Messebesucher*innen zum Mitmachen ein.
Camp offline und Baustelle online
Ein jährliches Bau-Camp soll den Weg vom Bau-Talent zum Bau-Azubi ebnen. Thüringens Schüler*innen können sich in den Ferien für mehrere Wochen in den verschiedenen Bauberufen ausprobieren. Unter Anleitung des Ausbildungspersonals entdecken die 7.- bis 10.-Klässler*innen, welcher Beruf ihnen am besten gefällt und schnuppern in den Ausbildungsalltag des Hoch-, Tief- und Ausbaus. Der Erfolg des Camps lässt sich sehen: Die Bildungszentren an den Standorten Erfurt, Weimar und Nordhausen zählen pro Jahr 30 bis 40 Schüler*innen, die ihre Oster- und Sommerferien damit verbringen, sich an diversen Bauprojekten zu beteiligen und mit Bauunternehmen und Auszubildenden ins Gespräch zu kommen. Etwa 30 bis 40 Prozent, also im Schnitt 12 Campteilnehmende, beginnen im gleichen Jahr oder im Folgejahr eine Ausbildung im BiW.
Unter dem Motto „Die digitale Baustelle – vom digitalen Zwilling zum echten Bauwerk, so geht Bauen heute mit ‚BIM‘ (Building Information Modeling)“ gibt es zwischen dem BiW und Bauunternehmen Kooperationen, um reale Bauwerks-Daten zu erhalten. Ein Vorteil für beide Seiten: Den Auszubildenden hilft die digitale Darstellung der Bauwerke, den Entstehungsprozess real und auf dem Tablet nachvollziehen zu können. Die Bauunternehmen und beteiligten Gewerke sehen ihre Arbeit online und können vernetzt arbeiten. Das spart Zeit in der Kommunikation und Nerven. Denn so werden vorab Änderungen und Konsequenzen im Bauprozess sichtbar, sobald ein beteiligtes Handwerk Daten eingibt.
Das BiW setzt mit seinen Projekten und seinem Engagement in der beruflichen Bildung neue Maßstäbe in der Bauwirtschaft. Durch die Digitalisierung der Ausbildung und die gezielte Nachwuchsgewinnung schafft das Bildungswerk optimale Bedingungen für die Ausbildung motivierter und qualifizierter Fachkräfte. Mit seinem Fokus auf Innovation und praxisorientiertes Lernen ebnet das BiW gleichzeitig den Weg für die zukünftige Entwicklung der Bauberufe.
Internationale Azubi-Gewinnung und Integration
Strategisch hat sich das BiW international seit 1999 positioniert. Mit seiner über 20-jährigen Bildungserfahrung im internationalen Bereich, blickt es auf Projektumsetzungen in und Kooperationen mit 35 Ländern und Regionen weltweit zurück. Für das Thema Integration in Ausbildung, beschränkt sich das Engagement nicht nur auf die Länder Spanien und Bulgarien. Seit den letzten vier Jahren, liegt der Fokus der Arbeit insbesondere auf Vietnam. Jährlich holt das Bildungswerk zwischen 50 und 100 vietnamesische Auszubildende für eine dreijährige duale Ausbildung im Hoch-, Tief- und Ausbau nach Deutschland – seit Januar 2023 über das Verbundprojekt „Vietnamesische Talente für Thüringen (ViTa für Thüringen)“. Das Projekt „ViTa für Thüringen“ zielt einerseits konkret darauf ab, Bauunternehmen bei der Generierung von Fachkräften bedarfsgerecht zu unterstützen. Im Rahmen der Verbundarbeit des BiW, u. a. in Kooperation mit der Handwerkskammer Erfurt sowie der Handwerkskammer Südthüringen, sollen andererseits Fachkräfte auch branchenübergreifend synergetisch akquiriert werden, unter der Federführung des BiW bei Behördenabsprachen in Vietnam.
Ein Schlüsselaspekt des Erfolges liegt dabei in der Identifizierung und Zusammenarbeit mit Berufs- und Sprachschulen in Nord-, Mittel- und Südvietnam, welche den potenziellen Auszubildenden einen Deutschkurs bis zum Sprachniveau „B1“ ermöglichen. Das BiW übernimmt in diesem Zusammenhang das Monitoring der angehenden Auszubildenden in Vietnam – online und 2–3-mal im Jahr vis-a-vis vor Ort. Auf diese Weise erfolgt die Vorauswahl geeigneter und hochmotivierter Kandidat*innnen, die nach erfolgreichem Durchlaufen des Verfahrens in den Matching-Prozess zu Baubetrieben überführt werden. Flankiert wird der Prozess der Bewerber*innen-Identifizierung durch Präsentationen zu Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland für verschiedene Bauberufe. Pro Vor-Ort-Veranstaltung kommen bis zu 2.000 junge potenzielle Fachkräfte im Alter von 18 bis 27 Jahren mit ihren Familien, um einen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten der Ausbildung im deutschen Bauwesen zu erhalten.
Neben der Unterstützung im Zuge der Beantragung erforderlicher Visa zur Aufnahme einer Ausbildung in Deutschland, engagiert sich das BiW als Koordinator nach Ankunft der Auszubildenden beim Onboarding, inklusive Flughafentransfer, Organisation von Unterkünften, Abschluss einer Krankenversicherung, Eröffnung eines Bankkontos, Einrichtung einer Privathaftpflichtversicherung, Planung eines „B2“ Deutschkurses sowie der Wahrnehmung notwendiger Behördentermine und begleitet die Auszubildenden während ihrer gesamten Ausbildungszeit sozialpädagogisch integrativ – auch in Muttersprache – bis zum Übergang in das Arbeitsleben bei den vorgesehenen Baubetrieben. Ein Erfolgsmodell, mit dem junge Vietnamesen bereits in über 70 Unternehmen der Bauwirtschaft nachhaltig integriert werden konnten.
Sie haben Interesse an den Projekten des BiW? Mehr dazu, finden Sie hier.
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