10 Jahre, 25 Jahre, 40 Jahre und sogar 50 Jahre Betriebszugehörigkeit zeigen, dass Unternehmen sehr bemüht sind, ihre Fachkräfte an sich zu binden. Denn diese tragen mit ihrer langjährigen Expertise zum Unternehmenserfolg bei. Was können Unternehmen tun, um die sorgfältig ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten? Wie wichtig (Entwicklungs-)Perspektiven und Wohlbefinden sind, berichten ausgewählte WorldSkills Germany-Mitgliedsunternehmen.
Die gute Nachricht vorneweg: Angestellte wechseln laut einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) weniger häufig als gedacht. 2017 hat das IW die Betriebszugehörigkeit in deutschen Unternehmen untersucht. Und siehe da: Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung arbeiten durchschnittlich 12,5 Jahre in einem Unternehmen. In der Metall- und Elektroindustrie sind es sogar 14,2 Jahre. Größere Betriebe weisen eine längere durchschnittliche Dauer der Betriebszugehörigkeit auf als kleinere Betriebe. „Die Mär vom modernen Arbeitnehmer, der als Unternehmer in eigener Sache von einem Job zum nächsten eilt, stimmt nicht mit der Realität überein“, erklärt Holger Schäfer, Senior Economist für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit am IW, der das sozio-ökonomische Panel mit rund 17.000 Erwerbstätigen ausgewertet hat. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeitsdauer in Deutschland ist demnach seit Jahrzehnten auf einem hohen, sogar leicht steigenden Niveau. Denn auch in Krisen behalten viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden. Und das aus gutem Grund: „Die Suche nach Personen ist zeitraubend und kostenintensiv, für manche Positionen sind Fachkräfte schwer zu finden“, so Schäfer.
Die Sick AG bietet eine Übernahmegarantie für die jährlich rund 70 Auszubildenden und dual Studierenden. (Foto: Sick AG)
Expertinnen und Experten im Bereich Personalführung halten die Wertschätzung der Belegschaft für wesentlich. Für den Strategieberater Edgar K. Geffroy, vom Magazin WirtschaftsWoche als „einer der zehn führenden Business-Motivatoren“ eingestuft, ist die „richtige Unternehmenskultur“ ausschlaggebend für den Unternehmenserfolg. „Intelligente Unternehmen legen Wert auf positive zwischenmenschliche Beziehungen, umfassende Einbindung und faire Arbeitsverhältnisse. Je mehr sie auf die Bedürfnisse des Arbeitnehmers eingehen, desto eher zahlt er es zurück; indem er nicht nur ‚Dienst nach Vorschrift‘ betreibt, sondern sich mit Haut und Haar für das Unternehmen einsetzt“, so Geffroy auf seiner Homepage. Mit dem Wissen und den Ideen der gesamten Belegschaft sei seiner Meinung nach viel möglich: Produktdiversifikation und Prozessverbesserung sind nur zwei seiner Schlagworte für nachhaltigen Unternehmenserfolg.
Für die Unternehmensberaterin Christine Pehl aus Augsburg ist der langfristige Unternehmenserfolg gesichert, wenn Unternehmen ihren sinnvollen Beitrag klar definieren können, Vertrauen bei Arbeitnehmenden und Kundinnen und Kunden genießen, ein verlässlicher Partner in der Lieferkette und attraktiver Arbeitgeber sind. Der Fachbegriff hierfür lautet „Corporate Social Responsibility“ (CSR). Das Modell beruht auf den drei Säulen ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Bei der sozialen Säule geht es um die Mitarbeitenden als Basis für den Unternehmenserfolg. „Das fängt bei der Unternehmenskultur und Wertschätzung jedes Einzelnen an“, so Pehl. „Der Mensch muss im Zentrum stehen.“ Die Grundlage für eine lange Betriebszugehörigkeit ist für sie eine Verbundenheitspyramide, basierend auf Transparenz, es folgen Vertrauen und das Gefühl von Integration der Mitarbeitenden in das Unternehmen. Dies kann zu Stolz auf das gemeinsam Erreichte führen und den Gesamterfolg bestärken. „Menschen wollen in ihrem Tun einen Sinn erkennen, im besten Fall sogar Begeisterung erfahren.“
Laut Christine Pehl zeigen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heute agiler und wechselfreudiger, „aber durch entsprechende Personalförderung mit individueller Weiterentwicklung ist beides heute auch in einem Unternehmen möglich.“
Wie das konkret aussehen kann, zeigen drei WorldSkills Germany-Mitgliedsunternehmen.
Das Unternehmen Sick in Waldkirch im Breisgau bemüht sich, seiner Belegschaft eine möglichst lebenslange Betriebszugehörigkeit zu bieten und setzt auf viele Chancen und Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung. Das beginnt beim weltweit agierenden
Hersteller von Sensorlösungen für die Fabrik-, Logistik- und Prozessautomatisierung mit der Übernahmegarantie für die jährlich rund 70 Auszubildenden und dual Studierenden.
„Aber auch danach ist eine stetige Weiterentwicklung, fachlich wie persönlich, Teil unserer Philosophie“, so Petra Kirner, Head of HR Marketing. „Wir besprechen konkret, wo die Person hin möchte.“ Eine hauseigene Weiterbildungsakademie macht Angebote für die berufliche Weiterentwicklung. Daneben wird viel Wert gelegt auf eine gute Work-Life- Balance: So ist flexibles und mobiles Arbeiten, auch fern von Sick-Standorten, nicht erst seit der Corona-Pandemie möglich. Hinzu kommt ein aktives Gesundheitsmanagement inklusive einer betrieblichen Sozialberatung: Es gibt viele Angebote zur Gesundheitsförderung mit Ernährung, Bewegung, Förderung der Resilienz und einer gesunden Gestaltung des Arbeitsplatzes.
Bedeutet das Angebot aber auch, dass alle Beschäftigten eine Veränderungsbereitschaft zeigen müssen? „Wir nehmen unsere Mitarbeitenden im Veränderungsprozess mit. Für uns sind die langjährigen Beschäftigten mit ihren umfassenden Erfahrungen und tiefer fachlicher Expertise auf einzelnen Positionen wichtig. Sie haben dafür gesorgt, dass SICK heute da ist, wo es ist“, so Petra Kirner. „Es kommt auf den Mix im Team an! Alle zählen für uns, die Expertinnen und Experten, die jungen Menschen mit frischen Ideen, ebenso Mitarbeitende, die sich fachlich weiterentwickeln wollen, sowie die, die eine Führungsposition anstreben.“
Petra Kirner ist selbst ein gutes Beispiel für eine lange Betriebszugehörigkeit: Seit 25 Jahren ist sie bei Sick, hatte verschiedene Positionen in verschiedenen Unternehmensbereichen inne und sagt: „Mir wurden viele Möglichkeiten geboten, auch in Hinblick auf die Vereinbarung von Familie und Beruf, für die ich sehr dankbar bin.“
In den letzten 20 Jahren ist das Unternehmen stark gewachsen. Trotz der vielen neuen Kolleginnen und Kollegen liegt die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit bei 10,8 Jahren. Einen weiteren Grund dafür sieht Sick auch bei seinem aktiven Gesundheitsmanagement. Das ist geprägt durch den Grundsatz „Gesund bleiben“. Für Lutz Goerendt als Head of Health Management gilt die Maxime: „Nicht erst reagieren, wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin Probleme hat oder krank ist.“ Bei SICK gibt es viele Angebote zur Gesundheitsförderung mit Ernährung, Bewegung, Förderung der Resilienz und einer gesunden Gestaltung des Arbeitsplatzes. Zusätzlich will das Unternehmen auch in schwierigen Zeiten seine Beschäftigten unterstützen und bietet beispielsweise eine betriebliche Sozialberatung.
Die Heidelberger Druckmaschinen AG ist ein Unternehmen, bei dem die Arbeitnehmenden „extrem lange dabei sind“, wie Bernhard Nahm, Senior Manager im Print Media Center, erklärt: 24,4 Jahre im Durchschnitt. Auch er ist schon lange dabei und gehört seit 1987 zum Team. Schon sein Vater arbeitete für Heidelberger. „Die Attraktivität wird an die Kinder weitergegeben, die zweite und auch dritte Generation findet sich oft in unserem Unternehmen“, so Nahm. Er schwört auf die gute Ausbildung bei Heidelberger Druckmaschinen, hat er doch selbst eine Lehre zum Drucker absolviert. „Das Unternehmen stand immer und steht immer noch für eine gute Ausbildung und hat auch in schwierigen Zeiten ausgebildet, wenn auch leider nicht immer übernommen.“
Bei Nahm folgte auf die Lehre das Studium der Drucktechnik mit Diplomarbeit im Hause Heidelberger Druckmaschinen. Heute arbeitet er im Democenter. Er schätzt seinen Job sehr: „Er ist abwechslungsreich, ich habe mit Kunden aus aller Welt zu tun und darf den neuesten Stand der Drucktechnik vorstellen.“ Zu seinen persönlichen Highlights im Betrieb gehört das Engagement rund um die WorldSkills-Wettbewerbe. Von 2011 bis 2019 war er deutscher Experte, nun kümmert er sich um die Bereitstellung von Druckmaschinen für die WorldSkills 2022 in Shanghai.
„Das Unternehmen war und ist bis heute ein sehr guter Arbeitgeber mit sehr attraktiven Bedingungen“, so Nahm, „wer im Unternehmen ist, bleibt und bleibt gerne lange, auch bis zur Rente.“ Allerdings liegen schwierige Zeiten und eine harte Phase des Gesundschrumpfens hinter Heidelberger Druck. Von den einst 24.000 Mitarbeitenden sind noch um die 11.000 an Bord. Bei der Personalreduzierung wurde möglich gemacht, was möglich ist, um „es menschlich vertretbar zu machen“. Dazu gehörten umfangreiche Vorruhestandsregelungen und Sozialpläne. Einfach war diese Zeit des Umbruchs nicht, auch Nahm ist der Meinung: „Wissen sollte im Unternehmen bleiben.“
Heute ist Heidelberger Druck wieder besser aufgestellt, hat neue Märkte und neue Produkte für sich entdeckt und schaut als ein weiterhin attraktiver Arbeitgeber optimistisch nach vorne – trotz der direkten Konkurrenz durch den Softwareanbieter SAP im heimischen Wiesloch genau gegenüber. Laut Nahm stimmen die Konditionen, auch finanzieller Art, immer noch. „Es wird viel getan, damit wir bleiben, uns wohl und geschätzt fühlen.“ Für jeden würde nach einer passenden und interessanten Position geschaut. Wie erfolgsversprechend das sein kann, zeigt sein eigenes Beispiel.
Fünf unumstößliche Werte, ein familiäres Arbeitsumfeld, menschliches Miteinander und eine lebendige Unternehmenskultur – für die Viega GmbH & Co. KG mit Sitz in Attendorn im Sauerland ist das die Basis für den Unternehmenserfolg. Eine lange Betriebszugehörigkeit geht damit einher. 20 Prozent der Belegschaft sind über 25 Jahre im Unternehmen, 34 Prozent über 20 Jahre. 15,2 Jahre sind Mitarbeitende mit abgeschlossener Berufsausbildung im Durchschnitt im Unternehmen. Übertragen auf alle der rund 3.000 Mitarbeitenden in Deutschland (weltweit hat Viega knapp 5.000 Mitarbeitende) sind es 13,9 Jahre. Begonnen hatte alles 1899 mit dem Verkauf von Bier-Armaturen aus Messing. Heute bietet das international tätige Unternehmen mehr als 17.000 Produkte für Sanitär- und Heizungssysteme, Rohrleitungssysteme, Verbindungstechnik, Vorwandtechnik und Entwässerungstechnik. Geleitet wird das Familienunternehmen heute in der vierten und fünften Generation.
„Unsere Werte sind seit jeher ein sicheres Fundament, das uns Orientierung gibt und einen Wegweiser für alle Mitarbeitenden darstellt“, so Anna Viegener. Diese lauten: erreiche Ziele, habe Mut, zeige Respekt, übernimm Verantwortung und schaffe Vertrauen. „In einem erfolgreichen Unternehmen zu arbeiten, macht Spaß, vor allem wenn der Unternehmenszweck stimmt. Viega installiert das, was der Mensch zum Leben braucht. Wir installieren die Lebensadern der Gebäude von morgen. Das macht uns als Arbeitgeber attraktiv“, erklärt Peter Schöler, Chief Human Resources Officer (CHRO) und Mitglied der Geschäftsführung.
„Über sich hinauswachsen“ – damit wird auf der Karriereseite im Internet geworben. „Wir schauen, dass jeder da arbeitet, wo er sich am meisten einbringen kann. So binden wir die Mitarbeitenden ans Unternehmen“, sagt Schöler. Die Förderung beginnt bereits in der Ausbildung. Mit Fremdsprachenkursen und Exkursionen macht Viega mehr als im Lehrplan steht. Gute Teambildung mit alten Hasen und einsatzfreudigen Auszubildenden gehört dazu. Schöler beschreibt das als ein gutes Miteinander mit Geben und Nehmen. Um gute IT-Fachleute zu gewinnen, hat Viega Büros in Dortmund und Köln gegründet. „Wir sind quasi zu den IT-lern gegangen, anstatt sie nach Attendorn zu locken.“ Er selbst ist bereits fest mit dem Unternehmen verwurzelt. „Die 17 Jahre sind schnell vergangen. Es gab immer neue Optionen, neue Aufgaben. Ich bin selbst erstaunt!“ Schöler lebt damit die Werte, die er als Personalverantwortlicher für Viega täglich prägt .
Weitere Fachbeiträge und Best-Practices finden Sie im WorldSkills Germany Magazin, dem Fachmagazin für Talentmanagement, berufliche Wettbewerbe und außerschulisches Lernen.
Die Mitarbeiter/innen der Sick AG können die hauseigene Weiterbildungsakademie nutzen, um sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln – so auch Azubis und Studierende. (Foto: Sick AG)
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