2013 stand Max Dolge fasziniert an der Bande der WorldSkills in Leipzig und wusste: „Das will ich auch. Bei den Weltmeisterschaften kochen und Deutschland vertreten.“ Zwei Jahre später nahm er tatsächlich in São Paulo/Brasilien teil. Heute ist der 26-Jährige Chef de Cuisine in einem Spitzenhotel im Oman und hat noch viel vor: „Ich habe mit WorldSkills gelernt, wie man Ziele erreicht.“
Bei einem Schülerpraktikum entdeckte Max Dolge, geboren 1994, seine Liebe zum Kochberuf. Das Faible dafür wurde ihm in die Wiege gelegt: Beide Eltern sind in der Ernährungsindustrie tätig. „Das Überzeugende an dem Beruf war für mich, viele Dinge ausprobieren und in Eigenregie herstellen zu dürfen.“ Also begann er nach der Schule eine Kochlehre in einem guten bodenständigen Restaurant in Chemnitz: „Da konnte ich mir bei meinen Kolleginnen und Kollegen vieles abschauen.“ Doch schon im zweiten Lehrjahr wurde ihm bewusst, dass er immer mehr lernen und wissen wollte als im Lehrplan vorgesehen war. „Ich brauchte weitere Herausforderungen neben der Ausbildung, doch wie sollte das gehen?“
Leidenschaftlicher Wettkämpfer
Vom Handball brachte er die Leidenschaft für Wettkämpfe mit: „Die waren für mich eine tolle Möglichkeit zur persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung. Glücklicherweise gab und gibt es im Beruf Koch bzw. Köchin viele Wettbewerbe.“ Bereits 2011, im zweiten Lehrjahr, durfte er am Rewe-Deutschland-Pokal teilnehmen, belegte in Sachsen den 2. Platz, reiste zum ersten Bundesfinale und wurde Vierter. Das schmeckte nach mehr. Es folgten die ersten internationalen Wettbewerbe in Russland, der Schweiz und Luxemburg mit der Jugend-Nationalmannschaft der Köche .
An den eingangs erwähnten Schlüsselmoment in Leipzig kann er sich bis heute genau erinnern: „Bei den WorldSkills 2013 stand ich an der Bande und schaute fasziniert den Köchinnen und Köchen zu. Ich brannte danach, auch einmal in der Arena zu stehen. Die Vision von der Teilnahme an der Weltmeisterschaft der Ausbildungsberufe hatte mich gepackt. Ich wollte 2015 in São Paulo teilnehmen und die deutschen Farben tragen.“
Max Dolge schaut bei den WorldSkills Leipzig 2013 von der Bande aus dem deutschen Teilnehmer Ole Kurth zu.
Training statt Freizeit
Er wurde sofort aktiv und nahm Kontakt mit dem damaligen Bundestrainer Tobias Laabs auf, den er bei Terminen mit der Köche-Nationalmannschaft kennengelernt hatte: „Ich signalisierte, dass ich unbedingt der nächste WM-Teilnehmer in der Disziplin ‚Koch/Köchin‘ sein wollte. Tobias Laabs war bereit, mit mir zu arbeiten und zu trainieren.“ Und Max Dolge trainierte: ein Jahr lang, jeden freien Tag.
Großzügige Unterstützung erfuhr er von seinem damaligen Arbeitgeber, dem Kempinski Hotel in Frankfurt Gravenbruch: „Da kann ich mich glücklich schätzen und bin den Menschen äußerst dankbar, die mir dies ermöglichten. Denn diese Form von materiellem und finanziellem Support kann und will sich nicht jedes Unternehmen leisten.“ Er durfte zum Beispiel im Hotel die Schwarzwälder Kirschtorte neu interpretieren und die Ergebnisse kamen ganz regulär auf die Speisekarte. Für andere Menübestandteile legte er sich einen Masterplan zurecht: „Ich definierte die Verfahrensweise für jede Komponente, sodass ich zum Beispiel, egal welches Geflügel ich verarbeiten sollte, einen Zubereitungsplan hatte. Auch für Desserts legte ich mir Grundrezepturen an, die ich nur geringfügig anpassen musste und schnell abrufen konnte. Diese Grundrezepturen helfen mir bis heute, wenn ich auf überraschende Situationen reagieren muss und Rezepte brauche, um schnell gute Ergebnisse liefern zu können.“
Gänsehaut in São Paulo
Gut vorbereitet reiste er im August 2015 nach São Paulo, der größten Stadt Brasiliens: „Eine großartige Erfahrung: angefangen beim super organisierten Precamp, über die Eröffnungsfeier mit dem Einmarsch als deutsche Mannschaft – da bekomme ich heute noch Gänsehaut – bis hin zu den Wettbewerben.“
Der intensivste Moment war für ihn die Ankunft im Wettkampf-Hotel in São Paulo, nachdem das Precamp absolviert war: „Wir kamen als deutsches Team, alle trugen Deutschland-Poloshirts. Gleichzeitig erschienen andere National-Teams. Überall waren Flaggen. Da realisierte ich: Ich bin jetzt in São Paulo. Ich werde Deutschland bei der Weltmeisterschaft vertreten. Auch heute noch, Jahre später, ist es eine wahnsinnig tolle Erinnerung an diesen einen Moment!“
Dieser Moment half Max Dolge auch, sich richtig auf den Wettbewerb zu fokussieren und er spürte die gleiche Anspannung bei anderen Teilnehmenden. „Ich fühlte, dass ich etwas erreichen wollte und konnte. Meinen Mitkonkurrenten ging es ähnlich. Allen konnte man die Vorfreude und Konzentration ansehen.“
Genuss und Enttäuschung
Der Wettbewerb ließ sich sehr gut an. Er musste in zweimal vier Stunden ein Vier-Gang-Menü zubereiten. Der zweite Wettbewerbsteil, mit acht Stunden für ein Fünf-Gang-Menü, lief gemischt. Er war nicht mit allen Ergebnissen zufrieden: „Erst gegen Ende konnte ich den Koch-Wettstreit so richtig genießen. Am Schluss war es ein erhebendes Gefühl, es geschafft zu haben. Zufrieden war ich aber nur bedingt, da mich der Ehrgeiz gepackt hatte und ich grundsätzlich immer mehr erreichen will.“
Sein Gefühl trog nicht, Platzierung im Mittelfeld. Aber er bekam wegen sehr hoher Punktzahlen eine „Medallion for Excellence“ und war keineswegs enttäuscht. Er hatte eine einmalige Chance und Herausforderung hinter sich gebracht.
Bei der Nachbesprechung mit seinem Trainer und Jurymitglied bekam er zusätzliche Informationen: Er hatte beim Vier-Gang-Menü außerordentlich gut abgeschnitten und wurde hoch gewertet. Doch beim Fünf-Gang-Menü hatte er mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen und ließ dabei wertvolle Punkte liegen. „Erst als ich das erfuhr, ärgerte mich meine Platzierung. War ich doch so nah an den Medaillenrängen.“
Karriere als Koch
Die gesamte Erfahrung hatte ihn motiviert, auf seinem Berufsweg weiterzugehen. Die Vision WorldSkills, das Erreichen des Ziels „haben mich hungrig gemacht auf mehr. Ich wollte Karriere machen als Koch. Ich wollte mein Fachwissen anwenden und viele weitere Eindrücke und Erfahrungen sammeln.“
Es folgten eineinhalb Jahre im Sterne-Restaurant des Favorite Parkhotels in Mainz. Hier war filigranes Arbeiten angesagt, was er schon von den Wettbewerben kannte. „Im Koch-Beruf ähneln viele Situationen einem Wettbewerb: wenn etwa ein Gericht für 300 Gäste innerhalb von wenigen Minuten serviert werden muss. Ich liebe das aufregende Gefühl und den Nervenkitzel des Wettbewerbs, weil ich glaube, dem Druck gut standhalten zu können.“
Aber auf Dauer wollte er nicht nur am Herd stehen.
Sein Frankfurter Arbeitgeber Kempinski Hotel klopfte an und eröffnete ihm die Möglichkeit, die Organisation und Leitung der Bankettküche in Zusammenarbeit mit Küchendirektor und Stellvertreter zu übernehmen. Da standen plötzlich neue Aufgaben auf dem Programm und er lernte begierig dazu: Warenkalkulation für Veranstaltungen mit weit mehr als 100 Personen, Personalplanung, Kostenaufstellungen und das Schreiben von Buffets und Menüs.
Task-Force-Einsatz – Küchenchef – Chef de Cuisine
Dann ging es 2018 zu einem Task-Force-Einsatz ins Kempinski nach Riga. Dort wurde das erste Fünf-Sterne-Hotel in Lettland eröffnet und Max Dolge schulte die Mitarbeiter/innen, standardisierte die Küchenabläufe und erarbeitete mit den lettischen Kolleginnen und Kollegen die Grundrezepturen.
Und schon Ende 2018 ging es weiter nach Abu Dhabi, ins Qasr Al Sarab Desert Resort, ein „Flaggschiff“ der Anantara-Hotels, mitten in der Wüste, 400 km von der Hauptstadt Abu Dhabi entfernt: „Wie ein Traum aus Tausendundeiner Nacht.“
Hier konnte er als Küchenchef in einem der Restaurants seine gesammelte Erfahrung einbringen und führte erstmals eine internationale Küchencrew. „Mit meinen 26 Jahren bin ich um einiges jünger als viele Kolleginnen und Kollegen. Da musste ich mir den Respekt meiner Crew mit guten Leistungen und Führungsqualitäten erst verdienen. Autorität in der Küche bekommt man nicht geschenkt, da muss man schon zeigen, was man kann.“
Nach geplanten 18 Monaten in Abu Dhabi führte ihn sein weiterer Weg 2020 in das Kempinski Hotel Muscat im Oman, nun als Chef de Cuisine. „Es reizt mich eben, gehobene Qualität zu liefern, und mir dafür alles abzuverlangen. Denn in der Küche und im Restaurant ist jeder Tag ein neuer Wettbewerbstag. Wir arbeiten immer gegen die Zeit.“ Die Erfahrungen der WorldSkills und der Vorbereitung darauf helfen ihm immer noch sehr.
Pläne für die nächsten zehn Jahre
„WorldSkills hat mir geholfen, meinen Weg als Koch zu finden und zu gehen. Und mein Weg soll mit 26 Jahren noch lange nicht zu Ende sein. Ich habe noch viel vor!“ 2013 hatte er einen Fünf-Jahresplan: Koch-Nationalmannschaft, WorldSkills und Anstellung in Spitzen-Hotels. All das hat er erreicht, ist aber weiterhin neugierig und hat sich deshalb einen Zehn-Jahresplan vorgenommen: „Ich möchte mich später gerne in die Richtung eines General Managers oder Hoteldirektors entwickeln. Dafür studiere ich neben der Arbeit online Hotelmanagement auf dem Weg zum Bachelor. Sich auf ein Ziel zu fokussieren und die Herausforderung zu suchen, das hat mich WorldSkills gelehrt.“
Die Geschichten weiterer WorldSkills- und EuroSkills-Champions finden Sie in unserer Hall-of-Fame >>
Weitere Fachbeiträge und Best-Practices finden Sie im WorldSkills Germany Magazin, dem Fachmagazin für Talentmanagement, berufliche Wettbewerbe und außerschulisches Lernen.
Jungkoch Max Dolge bei seiner eigenen WorldSkills-Teilnahme - 2015 in São Paulo.
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