Als DIE Zukunftsmacher bezeichnet er junge Handwerker und Handwerkerinnen, wenn es darum geht, die von der Politik vereinbarten Zukunftsaufgaben anzupacken und umzusetzen. Was aber muss getan werden, damit leistungsstarke junge Leute Höchstleistungen abrufen können, sich selbst verwirklichen und ihr Können zum Nutzen der Handwerksbetriebe einsetzen? Dazu gab Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), der Redaktion Auskunft.
Setzt sich für die Exzellenzförderung im Handwerk ein: Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. (Foto: Boris Trenkel / Agentur Bildschön)
Das Handwerk fordert eine Exzellenzstrategie in der beruflichen Bildung. Warum ist das gerade in den kommenden Jahren wichtig? Welche Vorteile haben dadurch die Handwerksunternehmen?
Der Trend von Schulabgängerinnen und Schulabgängern in Richtung Studium ist nach wie vor ungebrochen. Das stellt unsere Ausbildungsbetriebe im Handwerk vor große Herausforderungen. Allein im vergangenen Jahr konnten über 18.000 Lehrstellen, die unsere Betriebe angeboten haben, nicht besetzt werden. Es gilt die Gleichwertigkeit der akademischen und beruflichen Bildung noch deutlicher herauszustellen. So muss Jugendlichen, Eltern und Lehrkräften bewusst werden, dass Absolventen über beide Bildungswege das gleiche Qualifikationsniveau erreichen und ein gleich hohes Lebensarbeitseinkommen erzielen können. Karriere kann gleichermaßen gemacht werden!
Eine Exzellenzstrategie jedoch gibt es trotz dieser großen Relevanz des Handwerks seit vielen Jahren ausschließlich im akademischen Bereich. Das müssen wir dringend ändern! Eine Exzellenzstrategie für die berufliche Bildung ist ein ganz entscheidender und wichtiger Schritt hin zu echter Gleichwertigkeit und mehr Attraktivität der beruflichen Bildung. Damit könnten wir unser Berufsbildungssystem nachhaltig stärken, die Fachkräftesicherung sowie Innovationsfähigkeit der Betriebe verbessern und die Suche nach Unternehmensnachfolgerinnen und -nachfolgern unterstützen. Davon profitieren unsere Handwerksbetriebe dann unmittelbar.
Der Anteil von Abiturientinnen und Abiturienten unter den Ausbildungsanfänger/innen im Handwerk hat sich in zehn Jahren mehr als verdoppelt (2019: auf 14,5 %). Inwiefern ist die berufliche Bildung im Handwerk für leistungsstarke Jugendliche attraktiv und wie wird den Bedürfnissen in der Ausbildung entsprochen?
Leistungsstärke lässt sich nicht nur am Abiturzeugnis ablesen. Im Handwerk hat jeder die Chance, Höchstleistungen zu zeigen und sich selbst zu verwirklichen. Dazu bieten sich viele attraktive Möglichkeiten. Wer schneller ans Karriereziel kommen will, hat verschiedene Optionen, seine Ausbildungszeit zu verkürzen. Wer seine hohe Leistungsbereitschaft zeigen will, kann bereits während der Ausbildung Zusatzqualifikationen erwerben wie den Europaassistenten. Wer die Welt entdecken will, kann Auslandsaufenthalte im Rahmen von Förderprogrammen wie Erasmus+ absolvieren. Und wer sein hohes fachliches Können unter Beweis stellen will, findet auf der Master Professional-Ebene attraktive Qualifikationen, wie beispielsweise den Restaurator im Handwerk. Alle Qualifizierungsangebote können also ganz individuell an die eigene Karriereentwicklung und die persönlichen Rahmenbedingungen angepasst und genutzt werden.
Was zeichnet förderungswürdige Talente der beruflichen Bildung Ihrer Meinung nach aus?
Es gibt im Handwerk viele überdurchschnittlich qualifizierte und engagierte junge Menschen, die bereit sind, im Beruf weit über das normale Maß hinauszugehen. Sie zeichnen sich durch Eigeninitiative, durch Leidenschaft für ihren Beruf und natürlich durch fachliche und berufliche Erfolge aus. Für diese Talente ist ihr Beruf mehr als nur ein Job – er ist ihre Berufung. Unsere Aufgabe ist es, diese Talente zu erkennen und passgenau zu fördern. Die besten Gesellinnen und Gesellen rekrutieren wir beispielsweise für den Berufswettbewerb „Profis leisten was“ (PLW). Die Bundessiegerinnen und Bundessieger des Wettbewerbs haben dann gute Chancen auf das mit 8.100 Euro dotierte Weiterbildungsstipendium. In einigen Gewerken können die PLW-Besten an der EuroSkills, Europameisterschaft der Berufe, oder auch an den WorldSkills teilnehmen.
Welche Möglichkeiten eröffnet eine Exzellenzstrategie den Auszubildenden im Handwerk?
Eine passgenaue, umfassende Exzellenzstrategie unterstützt Auszubildende, aber auch beruflich qualifizierte Fachkräfte während des gesamten Ausbildungs- und Berufslebens. Dazu ist es wichtig, die bestehenden Förderinstrumente aber noch weiter auszubauen.
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Schreiner Florian Meigel zeigte als Kammer-, Landes- und Bundessieger in seinem Gewerk beste Leistung während und nach der Ausbildung. Bei den WorldSkills Kasan 2019 wurde er mit einer Exzellenzmedaille ausgezeichnet. (Foto: Anja Jungnickel)
Die Förderung im Aufstiegs-BAföG muss erweitert, Weiterbildungsstipendien grundständig ausgebaut und die steuerliche Anrechnung der Weiterbildung verbessert werden. Dann können berufliche Talente zu jeder Zeit ihr volles Potenzial entfalten. Da die Komplexität der Berufe zunimmt, gewinnt die Höhere Berufsbildung insgesamt an Bedeutung. Eine Exzellenzstrategie muss daher Anreize setzen, damit junge Menschen stärker die Qualifizierungs- und Karriereangebote, wie die Meisterqualifikation, nachfragen und in Angriff nehmen.
Welche (inhaltlichen) Schwerpunkte sollte eine Exzellenzstrategie in der beruflichen Bildung aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren setzen?
Wir fordern eine Exzellenzstrategie für die berufliche Bildung, die alle Bereiche – von der beruflichen Erstausbildung über die Höhere Berufsbildung bis hin zur Berufstätigkeit – umfasst. Wir schlagen vor, die dazugehörigen Aktivitäten je nach Zielgruppe zu bündeln: im Bereich „Berufswettbewerbe“ etwa, indem die Vorbereitung der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf internationale Wettbewerbe stärker unterstützt wird. Im Bereich „Internationalität“ sollte ein Deutscher Beruflicher Austauschdienst (DBAD) geschaffen werden. Im Bereich „Digitalisierung“ braucht es exzellente digitale Lehr- und Lernkonzepte in den Exzellenzakademien des Handwerks. Und im Bereich „Innovationen“ sollten neuartige Kooperationsformen zwischen Bildungseinrichtungen der Hochschulen und des Handwerks etabliert werden, wie FabLabs oder Makerspaces.
Als Fundament der Exzellenzstrategie brauchen wir ein Netzwerk, das transparent alle Exzellenzgruppen und Exzellenzaktivitäten miteinander verknüpft. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit der neuen Bundesregierung bei diesem so wichtigen Thema einen großen Schritt weiterkommen können.
Weitere Fachbeiträge und Best-Practices finden Sie im WorldSkills Germany Magazin, dem Fachmagazin für Talentmanagement, berufliche Wettbewerbe und außerschulisches Lernen.
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