Silbermedaille trotz Platz 1 - Rückblick auf die WorldSkills 1979 in Irland

26. Oktober 2022

Für die WorldSkills-Gemeinschaft ist es nicht immer leicht, Teilnehmende vergangener internationaler Berufswettbewerbe ausfindig zu machen, wenn diese bereits viele Jahre zurückliegen. Auf Jan Decker wurde WorldSkills Germany durch Instagram aufmerksam. Der Bauunternehmer aus der Region Oldenburg „liked“ regelmäßig die Beiträge der nationalen WorldSkills-Organisation; sein Instagram-Benutzername verrät seinen Erfolg bei der Weltmeisterschaft 1979. Mit der Redaktion sprach Decker über seine Erinnerungen an die WM im irischen Cork und die Entwicklung der Berufswettbewerbe.

Jan Decker wollte ursprünglich Zimmermann werden. Aber die schwierige Auftragslage Mitte der 1970er Jahre machte ihm einen Strich durch die Rechnung. „1975, ich war damals 16 Jahre alt, bin ich mit meinem Vater zum Zimmermann in der Nachbarschaft gegangen. Aber der hatte schon ein oder zwei Lehrlinge und die hatten selbst nicht wirklich was zu tun. Beim nächsten Zimmermann in der Nähe war es ähnlich“, sagt Decker. „Da ich mir auch vorstellen konnte, Maurer zu werden, habe ich mich weiter umgeschaut und dann sechs Kilometer entfernt von meinem Wohnort eine Lehrstelle bekommen. So bin ich dann eben Maurer geworden.“

Jan Decker (1. Reihe, Fünfter von rechts) und die Deutsche Berufe-Nationalmannschaft von 1979.

Vom regionalen zum internationalen Wettkampf in wenigen Wochen

Decker schloss die Ausbildung nach drei Jahren als Bester ab. „Ich wurde gefragt, ob ich bei einem Leistungswettbewerb mitmachen möchte. Ich hatte zuvor nie etwas davon gehört, konnte mir das aber gut vorstellen.“ Tatsächlich wurde Jan Decker auf regionaler Ebene am 20. Oktober 1978 Kammersieger. Bereits im November folgte der Sieg beim Landeswettbewerb in Hannover. Unmittelbar im Anschluss wurde er zum Bundeswettbewerb eingeladen, den er am 30. November ebenfalls gewann. „Damals gab es noch keine Europameisterschaft, weshalb man einfach aus dem Jahrgang davor den Erst- und Zweitplatzierten genommen hat, aus meinem Jahrgang auch und aus diesen den Teilnehmenden für den internationalen Wettbewerb ermittelte.“ Am Abend vor dem entscheidenden Wettkampf unternahmen die jungen Maurer in Krefeld einen Kneipenbummel. „Am nächsten Tag ging es mir ganz schlecht“, gesteht Decker. „Also musste ich mich am Wettbewerbstag besonders konzentrieren.“ Decker schaffte es, das Beste aus sich herauszuholen und siegte. „Das hätte ich mir auch nicht verzeihen können, wenn das danebengegangen wäre.“

Weltbester mit großem Abstand

Im Jahr darauf flog Jan Decker mit der Deutschen Berufe-Nationalmannschaft nach Cork in Irland. Der internationale Berufswettbewerb fand damals noch über zwei Wochen vom 2. bis 17. September 1979 statt. Rund 280 Fachkräfte aus 14 Nationen kämpften in 33 Disziplinen um die Medaillen. Deutschland trat in 31 Berufsdisziplinen an. „Wir haben uns abends immer getroffen und gemeinsam mit den Franzosen im Pub ein Bier getrunken“, erinnert sich Decker. „Ich habe mich außerdem mit dem Koreaner angefreundet, der mein Konkurrent war. Er war damals sehr begeistert von meinem Hut. Wir haben uns sprachlich zwar gegenseitig nicht verstanden, aber wir waren uns sehr sympathisch. Er gab mir einen Geldschein als Erinnerung.“ Die Freundschaft hat sich nach dem Wettbewerb zwar nicht weiterentwickelt, „aber die Erinnerungen bleiben.“
Am Ende des Wettkampfs stach die Arbeit von Jan Decker einmal mehr hervor und er errang den Weltmeistertitel. „Es wurde hervorgehoben, dass ich mit großem Abstand den ersten Platz gemacht habe“, berichtet Decker. Auf Platz zwei landete damals der Maurer aus England, Platz drei ging an Irland. Worüber sich Decker noch heute ärgert: „Mir wurde als Weltmeister damals nur eine Silbermedaille verliehen. Also ich habe eine Silbermedaille erhalten, auf der der erste Platz draufsteht.“ Die Veranstalter hatten sich dazu entschieden, da der Wettbewerb in Cork 1979 gleichzeitig der 25. internationale Berufswettbewerb war. Zur Feier dieses „silbernen“ Jubiläums wurde dann auch den Weltmeister*innen eine silberne Medaille verliehen.
Die mediale Aufmerksamkeit in Deutschland war dennoch sehr groß. „Das erste Interview, das ich gegeben habe, war direkt nach unserer Rückreise in Düsseldorf mit der Bild-Zeitung. Wir waren drei Goldmedaillengewinner: der Stuckateur, der Frisör und ich.“ Es folgten einige weitere Interviews. „Die Leute waren sehr interessiert, denn viele wussten ja gar nicht, dass es so etwas wie die Berufswettbewerbe gibt.“ Auf der Heimreise wurde Decker wenige Kilometer vor seinem Wohnort abgefangen und musste dort noch ein paar Stunden ausharren. Die Mitarbeitenden der Kammern, die Mitglieder des Handels- und Gewerbevereins und des Spielmannzugs hatten noch keinen Feierabend. Schließlich fuhr Decker dann mit Scherpe im Cabrio in den Ort und wurde dort von einer großen Menschenmenge bejubelt. „Auch im Rathaus sind wir noch begrüßt worden. Das war ein riesiges Event damals“, erinnert er sich.

Spaß am selbstständigen Arbeiten – auch ohne Meisterbrief

Noch im Jahr 1979 heiratete Decker, wurde jung Vater und kaufte gemeinsam mit seiner Frau einen Altbau. 1991 gründete er sein eigenes Gewerbe. An seiner beruflichen Tätigkeit gefiel ihm dabei schon immer das Verklinkern von Gebäuden. Das sehr korrekte und saubere Arbeiten war ihm hierbei stets wichtig. „Ich war meist allein auf Baustellen tätig. Das hat mir sehr gefallen, denn ich hatte schon immer einen sehr hohen Anspruch an mich selbst, grundsätzlich an alles.“ Decker wurde sogar einmal von einem anderen Bauunternehmer angesprochen, dass es nicht normal sei, wie sauber seine Baustelle aussah. „Er hatte seine Baustelle daneben und dort sah es immer schlimm aus. Das war für ihn schlechte Werbung. Aber ich hatte immer meinen Spaß daran, alles ganz genau und ordentlich zu machen. Ich musste nie etwas zweimal machen, weil etwas nicht gehalten hatte.“ Sein Können und Wissen hätte der Weltmeister gern auch ehrenamtlich an Auszubildende weitergegeben. Da er selbst jedoch keinen Meisterabschluss besitzt, erhielt er hierzu nie positive Rückmeldung der regionalen Handwerkskammern.

Der Wandel der Berufswettbewerbe

40 Jahre nach seinem Sieg lernte Jan Decker beim Bundeswettbewerb der Bauberufe 2019, zu dem ihn ein Bekannter vom Bau-ABC Rostrup eingeladen hatte, den EuroSkills- und WorldSkills-Champion Jannes Wulfes kennen. Wulfes ist seit 2018 auch Bundestrainer der Maurer*innen. „Ich wusste gar nicht, was mich da erwartet und ich fand es hochinteressant, dass es inzwischen sogar ein ganzes Team mit einem Bundestrainer gibt. Bei uns war damals nur eine einzige Person zuständig, die uns begleitet hatte.“ Bei der Siegerehrung des Bundeswettbewerbs kam Decker mit Simon Rehm, Zimmererweltmeister der WorldSkills São Paulo 2015, ins Gespräch. „Wir haben herausgefunden, dass sein Onkel ebenfalls in Cork dabei war. Ich hatte das Gruppenbild von damals mit und Simon erkannte seinen Onkel darauf sofort. Das war ein enormer Zufall.“ Darauf angesprochen, wo Decker die Unterschiede in den Wettkämpfen von früher und heute sieht, sagt er: „Heute haben die Teilnehmenden Schneidwerkzeuge, damals gab es nur einen Meisel. Die Arbeiten waren früher nie so filigran wie heute. Das hätte man mit den damaligen Mitteln gar nicht so hinbekommen.“

Die Motivation zur Ausbildung in den Bauberufen

Zum Thema Fachkräftemangel räumt Decker ein, „dass man Jahrzehnte lang schief angeschaut wurde, wenn man auf dem Bau gearbeitet hat. So nach dem Motto: ‚Ja gut, für mehr hat es halt nicht gereicht‘. Das hat sich mittlerweile gebessert.“ Dennoch beklagt auch er, dass Eltern ihren Kindern oft zum Studium raten. Natürlich sei der Beruf Maurer*in nach wie vor körperlich anstrengend und schwer bis ins Rentenalter durchzustehen. „Aber wenn junge Menschen Lust darauf haben und sich das vorstellen können, dann sollte man sie da auch unterstützen. Handwerkliche Arbeit ist sicher nicht jedermanns Sache. Aber die Auszubildenden, die ich kenne, die wollen weitermachen und sich selbstständig machen. Das sind dann auch die, die immer Maurer*in oder Handwerker*in bleiben.“ Berufliche Wettbewerbe, so Decker, seien da ebenfalls ein tolles Mittel, um junge Erwachsene für die Berufe zu begeistern. Indem Jan Decker seine Erfolgsgeschichte weitererzählt, leistet er auch 43 Jahre nach dem Sieg bei der Weltmeisterschaft in Irland seinen ganz eigenen Beitrag, junge Menschen zu Höchstleistungen zu motivieren.

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