Willkommen im Wahljahr 2021

23. April 2021

Welche Pläne haben die Bundestagsfraktionen für die berufliche Bildung?

Dieser Beitrag erschien in Auszügen im WorldSkills Germany Magazin – Ausgabe 19 (April 2021). Lernen Sie unser Fachmagazin für Talentmanagement, berufliche Wettbewerbe und außerschulisches Lernen kennen >>

2021 ist ein großes Wahljahr – mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl. WorldSkills Germany hat die derzeitig im Bundestag vertretenen Fraktionen um einen Einblick in ihre Ideen und Vorhaben für die berufliche Bildung gebeten.

Folgende Fragen haben wir gestellt:
1) Hinsichtlich der kommenden Bundestagswahl: Wie sehen Ihre konkreten Vorschläge im Bereich der beruflichen Bildung aus?
2) Welche besonderen Schwerpunkte möchte Ihre Partei dabei setzen?
3) Wie möchten Sie die berufliche Bildung stärken?
4) Welches Optimierungspotenzial sehen Sie angesichts des aktuellen Fachkräftemangels, angesichts unbesetzter Ausbildungsstellen und Jugendarbeitslosigkeit?
5) Haben Sie auch konkrete Vorstellungen bezüglich der Durchlässigkeit von Bildungswegen?
6) Wie möchten Sie gewährleisten, dass die Themen zur beruflichen Bildung über das Wahlprogramm und über einen möglichen Koalitionsvertrag hinaus auch wirklich in der politischen Arbeit umgesetzt werden?

Über die folgenden Buttons können Sie direkt zu den Antworten der einzelnen Parteien springen.

CDU SPD Freie Demokraten AfD DIE LINKE Bündnis 90/Die Grünen

CDU

In Vertretung der CDU/CSU-Bundestragsfraktion beantwortete Stefan Albani, Mitglied der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, unsere Fragen.
Stephan Albani, MdB, ist Berichterstatter für berufliche Bildung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ordentliches Mitglied in der Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ des Deutschen Bundestages

1) Hinsichtlich der kommenden Bundestagswahl: Wie sehen Ihre konkreten Vorschläge im Bereich der beruflichen Bildung aus?
Unsere Welt ist schnelllebig geworden, sie verändert sich ständig. Neue Entwicklungen erreichen in immer kürzeren Zeitabständen alle Lebensbereiche, verstärkt auch die Arbeitswelt. Sie wird immer digitaler, schneller und spezieller. Die OECD geht davon aus, dass sich mehr als 35 % aller Berufe bis 2030 grundlegend wandeln werden.
Die Antwort auf zunehmende Veränderungen ist aus unserer Sicht eine gute und lebensbegleitende Weiterbildung. Berufliche Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen werden somit immer wichtiger.
Ein effizientes Weiterbildungssystem ist daher zentraler Bestandteil einer guten Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Es gibt jedem Menschen die Möglichkeit, seine Fähigkeiten und Begabungen im Einklang mit dem technischen Fortschritt optimal zu entwickeln.

2) Welche besonderen Schwerpunkte möchte Ihre Partei dabei setzen?
Deutschland braucht gut qualifizierte Fach- und Führungskräfte. Da ist es wichtig, denjenigen, die sich qualifizieren wollen, den Weg zum beruflichen Aufstieg zu ebnen. Ein Kernanliegen der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag ist es, die Gleichwertigkeit der dualen und akademischen Bildung zu stärken. Deshalb wurden in dieser Legislaturperiode drei zentrale Maßnahmen beschlossen, die helfen sollen, die berufliche Bildung attraktiver zu gestalten: die Novelle des Berufsbildungsgesetzes (BBIG), die Ergänzung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG oder „Aufstiegs-BAföG“) sowie der Bundeswettbewerb Innovations- und Exzellenzcluster Berufliche Bildung (InnoVet). In der nächsten Legislaturperiode wollen wir auf diesem Weg weitergehen.

3) Wie möchten Sie die berufliche Bildung stärken?
Unser Erfolgsmodell der dualen Ausbildung steht für exzellente Qualität. Sie ist Garant für Wachstum, Wohlstand und eine starke Wirtschaft in unserem Land. Wir wollen die Attraktivität, Qualität und hohe Integrationskraft der beruflichen Bildung weiter stärken.
Die Berufsorientierung soll, insbesondere auch an Gymnasien, über die vielfältigen Aufstiegs- und Karrierewege der beruflichen Bildung informieren. Dabei geht es sowohl um die duale Ausbildung als auch um die Qualifikationen der Höheren Berufsbildung (vormals berufliche Fortbildung) zur/zum Meister/in, Fachwirt/in oder Betriebswirt/in (ggf. Bachelor/Master Professional). Frühzeitige Praktika in den Unternehmen tragen zur Orientierung junger Menschen bei.
Die allgemeinbildenden Schulen benötigen mehr Ressourcen, um Jugendliche auf der Suche nach Praktika besser zu unterstützen. Berufliche Schulen als leistungsfähige und ortsnahe Partner der Betriebe nehmen eine Schlüsselrolle für die Arbeitswelt 4.0 ein.
Eine hochwertige Ausstattung der beruflichen Schulen und ein attraktives Profil der/des Berufsschullehrers/in müssen von der Politik aktiv gefördert werden.
Um möglichst viele Ausbildungsstellen besetzen zu können, wollen wir die regionale Mobilität der Ausbildungsplatzbewerber/innen erleichtern. Als flankierende Maßnahmen halten wir die Stärkung des Jugendwohnens und ein Azubi-Ticket für unabdingbar.
Zugleich wollen wir die Zahl der jungen Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung deutlich reduzieren. Die Ausbildungschancen der jungen Generation variieren je nach Wohnort, Schulabschluss oder Pass. In Regionen mit angespanntem Ausbildungsmarkt wollen wir durch Pilotvorhaben (z. B. Verbundausbildung) die betriebliche Ausbildung stärken und die Ausbildungschancen von jungen Menschen mit schlechten Startchancen verbessern.
Globale Märkte erfordern einen stärkeren internationalen Austausch in der beruflichen Bildung. Wir wollen den internationalen Austausch in der beruflichen Bildung stärken und ausbauen. Zielgruppe sind Auszubildende, Ausbilder/innen und Absolvent/innen der Höheren Berufsbildung.
Das „Qualifizierungschancen-Gesetz“ und das „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ haben wichtige Grundlagen geschaffen, um die von den Arbeitsagenturen geförderte Weiterbildung gezielt auf den Kreis der Beschäftigten auszuweiten. Wir wollen in den Blick nehmen, inwiefern diese erweiterten Förderinstrumente der Arbeitsagenturen zielgerichtet und effizient sind, KMU und deren Belegschaften tatsächlich erreichen und die relevanten Regelungen dann weiterentwickeln. Wir werden jenseits der Angebote der Arbeitsagenturen weitere bundesweite Förderinstrumente entwickeln, um Beschäftigte in der Breite mit digitalen Kompetenzen auszustatten. Dazu wollen wir das Programm Bildungsprämie in ein nachhaltiges Bundesprogramm überführen, die Förderung verstetigen und die Konditionen verbessern. Parallel dazu wollen wir als zusätzlichen Anreiz Steuerermäßigungen für Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen bei Weiterbildung – in Analogie zu den Steuerminderungen bei haushaltsnahen Dienstleistungen bzw. Handwerkerleistungen – einführen.
Die wissenschaftliche Weiterbildung wird einen bedeutsamen Beitrag zur Innovationsfähigkeit Deutschlands leisten. Daher sollen die Hochschulen befähigt werden, insbesondere unter Nutzung digitaler Lehr- und Lernformen, deutlich mehr wissenschaftliche Weiterbildungsangebote zu machen. So können sie mit Blick auf den Wandel der Arbeitswelt zur dringend notwendigen Fachkräftesicherung beitragen.

4) Welches Optimierungspotenzial sehen Sie angesichts des aktuellen Fachkräftemangels, angesichts unbesetzter Ausbildungsstellen und Jugendarbeitslosigkeit?
Gerade junge Menschen in unserem Land haben das Glück, zwischen vielen Wegen in einen Beruf oder gar eine Berufung wählen zu können. Exzellenz durch Praxis ist ein Markenzeichen von Made in Germany.
Wir wollen die berufliche Bildung weiter stärken, denn akademische und berufliche Bildung sind gleichberechtigte und gleichwertige Bildungswege. Auf die herausragende Qualität der Arbeit eines Meisters/einer Meisterin setzen heute wieder mehr und mehr Menschen. Deutschland braucht Azubis und Student/innen, den/die Elektromaschinenbauer/in ebenso wie den/die Chirurg/in.
Geringqualifizierte Menschen über 25 Jahre brauchen direkte Wege in eine Ausbildung. Zielführend ist, was möglichst ohne Umwege in betriebliche Praxis, Ausbildung und Arbeit führt. Dazu müssen die ausbildungsfördernden Instrumente des Übergangsbereichs auf den Prüfstand. Auch Jugendberufsagenturen, die Beratung und Vermittlung unter einem Dach anbieten, können bildungsferne junge Erwachsene von der Aufnahme einer Berufsausbildung überzeugen.

5) Haben Sie auch konkrete Vorstellungen bezüglich der Durchlässigkeit von Bildungswegen?
Für unsere Unternehmen bedeutet die digitalisierte Arbeitswelt sowohl Herausforderung als auch Chance. Die duale Ausbildung und die Höhere Berufsbildung können sich direkt am Bedarf der Unternehmen und Beschäftigten orientieren. Allerdings müssen unsere Fachkräfte stärker als bislang auf Förderinstrumente, wie das Aufstiegs-BAföG, zurückgreifen können. Die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung gilt es weiter voranzubringen. Von dieser Entwicklung werden sowohl junge Menschen als auch erfahrene Beschäftigte profitieren. Um vorhandene Möglichkeiten der Anrechnung und der Anerkennung von Bildungsleistungen transparenter zu gestalten, wollen wir eine Anrechnungsdatenbank für formale und non-formale Qualifikationen aufbauen. Davon profitieren auch Erwerbstätige mit und ohne Einwanderungsgeschichte, die über berufliches „Know-how“ verfügen, ohne dies in einem Ausbildungszertifikat belegen zu können. Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) hat maßgeblich zu mehr Transparenz und damit zur Gleichwertigkeit beigetragen, zudem erleichtert er die nationale und die internationale Bildungsmobilität. Wir wollen prüfen, ob das Ziel der Transparenz mit dem Mittel einer gesetzlichen Verankerung gestärkt werden kann.

6) Wie möchten Sie gewährleisten, dass die Themen zur beruflichen Bildung über das Wahlprogramm und über einen möglichen Koalitionsvertrag hinaus auch wirklich in der politischen Arbeit umgesetzt werden?
Ich glaube, dass allen Akteur/innen die Wichtigkeit des Themas sehr bewusst ist. Daher haben bereits im Juni 2019 Bund, Länder, Wirtschaft, Gewerkschaften und die Bundesagentur für Arbeit die Nationale Weiterbildungsstrategie beschlossen, um ihre Anstrengungen für Weiterbildung und Qualifizierung zu bündeln und weiterzuentwickeln. Ziel ist es, die berufliche Handlungsfähigkeit im Rahmen von Anpassungs- bzw. Erhaltungsqualifizierungen zu sichern oder im Rahmen von Entwicklungs- bzw. Aufstiegsqualifizierungen zu erweitern und berufliche Aufstiege zu ermöglichen. Die Nationale Weiterbildungsstrategie soll Antworten auf den Wandel der Arbeitswelt formulieren und Impulse für eine neue Weiterbildungskultur in Deutschland geben. Ein halbjährlich tagendes Gremium koordiniert und vernetzt die Umsetzungsaktivitäten.
Wir haben vor Jahren in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Projektgruppe „Weiterbildung“ ins Leben gerufen.
Unter anderem haben wir damals bereits festgestellt, dass öffentlich geförderte Weiterbildung zielgruppenadäquat ausgerichtet und breiter aufgestellt werden sollte als aktuelle Weiter- und Umqualifizierungsmaßnahmen, die zumeist auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt abzielen.
Außerdem sprechen wir uns für die Entwicklung eines Systems zum modularen Erwerb verschiedener aufeinander bezogener kleinteiliger Qualifizierungen und Zertifikate aus, die die Ausgestaltung individueller Weiterbildungscurricula erlauben und sich zu höherwertigen Zertifikaten jenseits formaler Abschlüsse kombinieren lassen.
Insgesamt haben wir 20 Handlungsempfehlungen formuliert.
Die Enquete-Kommission „Berufliche Weiterbildung in der digitalen Arbeitswelt“, deren Mitglied ich bin, wird in diesem Frühjahr ihren Abschlussbericht vorlegen. Auch hier haben wir zahlreiche Vorschläge, Maßnahmen und Verbesserungen formuliert.
All diese Ergebnisse und Handlungsempfehlungen sind Basis für zukünftiges Handeln von Parlament und Regierung, wenn es um die berufliche Weiterbildung geht.

Stephan Albani, MdB (Foto: Bildstelle Bundestag)

SPD

Oliver Kaczmarek, MdB, bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

1) Hinsichtlich der kommenden Bundestagswahl: Wie sehen Ihre konkreten Vorschläge im Bereich der beruflichen Bildung aus?
Mit dem Herzen am richtigen Fleck. Ich bin überzeugt, dass wir einen gelungenen Wahlkampf mit unserem Spitzenkandidaten Olaf Scholz hinlegen werden und den Wählerinnen und Wählern deutlich machen, wofür wir stehen: für ein modernes, klimafreundliches Land, dessen Wirtschaftsstandort erfolgreich ist und in dem jede Arbeit Würde und Respekt bekommt.
Unsere Vorschläge zur Stärkung der beruflichen Bildung bestehen aus mehreren Bestandteilen. Den Kern bildet die Umsetzung der Ausbildungsgarantie: Jede und jeder, die oder der einen Ausbildungsplatz sucht, soll ein Angebot erhalten. Wir wollen niemanden zurücklassen und einen gelungenen Start in das Berufsleben ermöglichen. Hierfür braucht es mehr Verantwortung vom Staat und ein großes Engagement der Wirtschaft. Zur Schaffung von Ausbildungsplätzen wollen wir mehr Unternehmen gewinnen. Gleichzeitig nehmen wir die Wirtschaft mit branchenspezifischen Ausbildungsfonds in die Pflicht. Dort, wo es nicht gelingt, genügend Plätze anzubieten, übernimmt der Staat Verantwortung, indem er außerbetriebliche Angebote schafft.

2) Welche besonderen Schwerpunkte möchte Ihre Partei dabei setzen?
Neben der Ausbildungsgarantie wollen wir zwei Schwerpunkte im Wahlkampf bei der beruflichen Bildung setzten: Einerseits wollen wir die Qualität in der beruflichen Bildung verbessern und andererseits ein Augenmerk auf Finanzierungsfragen legen. Mit der Einführung der Mindestausbildungsvergütung konnten wir einen Meilenstein 2019 setzen. Diesen Weg wollen wir fortsetzen und Gebührenfreiheit in den vollzeitschulischen Ausbildungen verwirklichen. Wir wollen die Schulgelder mit Unterstützung des Bundes in allen Gesundheitsfachberufen abschaffen und eine Ausbildungsvergütung einführen.

3) Wie möchten Sie die berufliche Bildung stärken?
Bei der Stärkung der Qualität in der beruflichen Bildung sehen wir verschiedene Stellschrauben, die ineinandergreifen sollten. An erster Stelle sehen wir hier die Berufsschulen, welche wir durch eine Qualitätsoffensive stärken wollen. Dabei geht es vor allem um die Gewinnung von Berufsschullehrer/innen und die Ausstattung der Schulen. Ein anderer wichtiger Punkt ist die fortschreitende Digitalisierung in den Berufsfeldern, bei der wir die damit einhergehenden Anforderungen an Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen begleiten und optimieren wollen. Als Drittes muss der Blick auf Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufe gelegt werden, in welchen einheitliche und verlässliche Regelungen zu Rechten und Pflichten für Auszubildende und Ausbildungsbetriebe fehlen. Daran wollen wir arbeiten und einen einheitlichen Rahmen schaffen.

4) Welches Optimierungspotenzial sehen Sie angesichts des aktuellen Fachkräftemangels, angesichts unbesetzter Ausbildungsstellen und Jugendarbeitslosigkeit?
Der Befund des Fachkräftemangels in bestimmten Branchen bei zeitgleich unbesetzten Lehrstellen und unversorgten Bewerber/innen ist seit Jahren besorgniserregend. Deshalb sehen wir regionale Lösungen im Vordergrund, an der Politik, Arbeitgeber und Sozialpartner arbeiten müssen. Die Allianz für Aus- und Weiterbildung muss sich dieses Themas dringend annehmen und diese Aufgabe eng mit der gesetzlichen Garantie auf einen Ausbildungsplatz verknüpfen, die wir einführen wollen. Für unversorgte Bewerber/innen müssen außerbetriebliche Angebote aufgebaut werden, die aber in Ausbildungen in Betrieben münden müssen.

5) Haben Sie auch konkrete Vorstellungen bezüglich der Durchlässigkeit von Bildungswegen?
Die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung gilt es unbedingt weiter zu stärken. Wir finden hier, dass die qualitativ hochwertige Verzahnung der beiden Bildungswege weiter vorangetrieben werden muss. Zur Stärkung des dualen Studiums wollen wir deshalb verlässliche Rahmenbedingungen und einheitliche Qualitätskriterien schaffen. Zeitgleich wollen wir an der Gebührenfreiheit bei Aufstiegsfortbildungen weiterarbeiten, damit akademischer und beruflicher Aufstieg gleich barrierefrei im Zugang sind. Aber auch der Wechsel zwischen den beiden Bildungswegen gilt es zu vereinfachen. Deshalb wollen wir Hochschulen zu Orten der Weiterbildung machen, die beruflich Qualifizierte verstärkt in den Blick nehmen, und die berufliche Bildung verstärkt darauf vorbereiten, akademisch Qualifizierten Zugänge zu ermöglichen.

6) Wie möchten Sie gewährleisten, dass die Themen zur beruflichen Bildung über das Wahlprogramm und über einen möglichen Koalitionsvertrag hinaus auch wirklich in der politischen Arbeit umgesetzt werden?
Die SPD arbeitet im Bund, aber auch in den Ländern daran, dass die berufliche Bildung gestärkt wird. Gemeinsam mit den Sozialpartnern legen wir einen Schwerpunkt auf gute Arbeit und hohe Standards, für welche wir in Regierungsverantwortung gerne streiten und kämpfen.

This is a block of text. Double-click this text to edit it.

Freie Demokraten

Dr. Jens Brandenburg, MdB, Sprecher für Studium, berufliche Bildung und lebenslanges Lernen sowie Sprecher für LSBTI

1) Hinsichtlich der kommenden Bundestagswahl: Wie sehen Ihre konkreten Vorschläge im Bereich der beruflichen Bildung aus?
Wir Freie Demokraten setzen klar auf die Themen Bildung, Wirtschaft und Digitalisierung. Wir wollen Deutschland gestärkt aus der Krise führen und in die Zukunft investieren. Die berufliche Bildung wollen wir mit einer eigenen Exzellenzinitiative stärken. In Zeiten der Digitalisierung brauchen wir nicht nur Theoretiker/innen, sondern hochqualifizierte Fachkräfte, die neue Technologien in ganz praktische Produkte und Dienstleistungen übersetzen. Die berufliche Aus- und Weiterbildung bietet heute schon gute Aufstiegschancen. Mit gezielten Investitionen in moderne Berufsschulen, eine gezielte Talentförderung und internationale Austauschmöglichkeiten wollen wir diese Chancen ausbauen.

2) Welche besonderen Schwerpunkte möchte Ihre Partei dabei setzen?
Bildungswege müssen so flexibel und vielfältig werden wie die jungen Menschen selbst. Der Wechsel zwischen Berufsbildern und passgenauen Fortbildungen wird immer wichtiger. Deshalb wollen wir schon erlernte Kompetenzen einfacher anrechnen lassen und die Möglichkeiten der Fortbildungsförderung ausbauen. Die Digitalisierung verändert den Arbeitsalltag und die Anforderungen in allen Gewerken. Darauf muss sich auch die berufliche Bildung besser einstellen. Mit einem Digitalpakt 2.0 wollen wir die Berufsschulen besser ausstatten, Lehrkräfte weiterbilden und in digitale Lehrkonzepte investieren. Ein Zentrum für digitale Berufsbildung soll berufsbildende Schulen und ausbildende Betriebe bei digitalen Ausbildungsangeboten unterstützen. In einer globalisierten Welt werden auch internationale Kompetenzen im Handwerk wichtiger. Das europäische Austauschprogramm Erasmus+ steht auch Auszubildenden offen. Die Teilnahme scheitert aber oft an hoher Bürokratie, starren Lehrplänen und mangelnder Unterstützung. Wir fordern daher einen beruflichen Austauschdienst, der Auszubildende, Fachkräfte, Betriebe und Schulen bei Auslandsaufenthalten und der Vermittlung von Partnerbetrieben unterstützt. Internationale Berufe oder Wahl- und Zusatzqualifikationen in den Ausbildungsordnungen könnten das Profil weiter schärfen.

3) Wie möchten Sie die berufliche Bildung stärken?
Zunächst wollen wir mehr junge Talente für die berufliche Aus- und Weiterbildung gewinnen. An allen Schulen – auch an den Gymnasien – brauchen wir eine praxisorientierte Berufsorientierung. Ein hervorragendes Beispiel sind Azubi-Botschafter/innen, die ihre Berufe in den Schulen selbst vorstellen und von eigenen Erfahrungen in ihrer Ausbildung berichten. Für die Berufsschulen wollen wir mehr Lehrkräfte gewinnen und sie mit einer starken digitalen Ausstattung, kreativen MakerSpaces und Lernfabriken unterstützen. Auch die Begabtenförderung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung wollen wir deutlich ausbauen. Große Talente gibt es ja nicht nur an den Hochschulen. Das beweisen nicht zuletzt die großen Erfolge deutscher Teams bei den WorldSkills. Die Stipendien und Programme der 13 Begabtenförderungswerke des Bundes und das Deutschlandstipendium sollen auch für die besten Talente der beruflichen Bildung geöffnet werden. Der oft beschworenen Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung müssen endlich konkrete Taten folgen.

4) Welches Optimierungspotenzial sehen Sie angesichts des aktuellen Fachkräftemangels, angesichts unbesetzter Ausbildungsstellen und Jugendarbeitslosigkeit?
Eine praxisnahe Berufsorientierung und Azubi-Botschafter/innen sollten bundesweit an allen Schulen eingesetzt werden. Wichtig ist die enge Kooperation mit der Wirtschaft vor Ort. Eine abgeschlossene Ausbildung ist und bleibt auch in Krisenzeiten die beste Garantie für einen Arbeitsplatz. Den über 2 Millionen jungen Un- und Angelernten müssen wir endlich eine bessere Brücke in die berufliche Qualifikation bieten. Gute Ansätze wären mehr Jugendberufsagenturen, ein Ausbau der Einstiegs- und Teilqualifizierungen und mehr Flexibilität bei der Ausbildungsdauer. Die Ausbildungsmobilität wollen wir mit digitalen Berufsschulangeboten, Azubi-Tickets und Azubi-Wohnheimen verbessern, damit kleine Klassen und weite Pendelstrecken nicht mehr zur Ausbildungsbremse werden.

5) Haben Sie auch konkrete Vorstellungen bezüglich der Durchlässigkeit von Bildungswegen?
Wir Freie Demokraten wollen junge Menschen zur Pilotin/zum Piloten des eigenen Lebens machen. Zwischen beruflichen und akademischen Bildungswegen sollen sie flexibel wechseln können. Doppelte Bildungsabschlüsse, duale Studiengänge und Hochschulzugänge für Meister/innen sind erste Schritte. Vor allem die Anerkennung schon erworbener Kompetenzen muss deutlich verbessert werden. Wer einmal Buchhaltung oder technisches Zeichnen gelernt hat, soll das kein zweites Mal tun müssen. Auch Teilzeitfortbildungen und den Wechsel zwischen Gewerken wollen wir vereinfachen. Wenn zum Beispiel die/der Dachdeckermeister/in eine weitere Fortbildung zur/zum Weiterbildungspädagogin/-en machen möchte, sollte das über das Aufstiegs-BAföG förderfähig sein.

6) Wie möchten Sie gewährleisten, dass die Themen zur beruflichen Bildung über das Wahlprogramm und über einen möglichen Koalitionsvertrag hinaus auch wirklich in der politischen Arbeit umgesetzt werden?
Wir Freie Demokraten haben weltbeste Bildung fest als Kernziel in unserem Leitbild verankert. Dafür kämpfen wir auch in Koalitionsverhandlungen. Ohne beste Bildung lassen sich auch andere Herausforderungen wie der Klimawandel, die Finanzierung der Sozialsysteme und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht bewältigen. Zu vielen Vorschlägen – wie einer Öffnung der Begabtenförderung für Talente der beruflichen Bildung – gibt es in anderen Fraktionen großen Widerstand. Mit einem guten Wahlergebnis lässt sich aber viel bewegen.

Dr. Jens Brandenburg, MdB (Foto: Tobias Koch)

AfD

Dr. Götz Frömming, MdB, Sprecher des Arbeitskreises für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag

1) Hinsichtlich der kommenden Bundestagswahl: Wie sehen Ihre konkreten Vorschläge im Bereich der beruflichen Bildung aus?
Die AfD ist eine christlich-konservative Partei und vertritt freiheitlich demokratische Werte. Wir stehen daher aktiv ein für die Wahrung der Demokratie, des Rechtsstaats und für die Achtung und den Schutz der Menschenwürde; dazu gehört auch, dass wir unsere Heimat wieder zu dem machen wollen, was sie einmal war: Ein sicheres Land, in dem Tradition etwas gilt und Neues sich darin einfügt.
Im Bereich der beruflichen Bildung ist es erforderlich das Ausbildungssystem zu stärken. Der Wert der beruflichen Bildung muss wieder stärker gewürdigt werden.

2) Welche besonderen Schwerpunkte möchte Ihre Partei dabei setzen?
Deutschland muss – ungeachtet der notwendigen internationalen Kooperationen – wieder einen größeren Fokus auf die nationalen Belange richten. Insbesondere die Coronavirus-Krise hat in vielen Bereichen deutlich gemacht, wie wichtig es ist, auch als souveräner Nationalstaat funktionsfähig zu sein.

3) Wie möchten Sie die berufliche Bildung stärken?
Um eine Stärkung der beruflichen Ausbildung zu erreichen, muss sie langfristig zu einer wirklich attraktiven Alternative zur akademischen Ausbildung ausgestaltet werden. Dafür bedarf es neben einer Aufwertung der beruflichen Ausbildung ebenso der grundlegenden Reformierung des Berufsausbildungsförderungsgesetzes. Auch muss ein Einstieg in die akademische Laufbahn aus der beruflichen Bildung möglich sein.

4) Welches Optimierungspotenzial sehen Sie angesichts des aktuellen Fachkräftemangels, angesichts unbesetzter Ausbildungsstellen und Jugendarbeitslosigkeit?
Das Streben nach immer höheren Abiturientenquoten gefährdet den Nachwuchs in den Ausbildungsberufen, sodass zahlreiche Lehrstellen aus Mangel an ausreichend qualifizierten Bewerber/innen nicht besetzt werden können. Gleichzeitig haben wir hohe Abbruchquoten im Studium, die zu Lasten der Ausbildungsbetriebe gehen. Von besonderer Bedeutung ist es daher, dass vorhandene Konzepte zur Berufsorientierung ausgebaut und Berufsorientierungsmaßnahmen frühzeitig in den Schulunterricht integriert werden. Da die Berufsausbildungsreife in den allgemeinbildenden Schulsystemen entwickelt wird, gilt es, den Unterricht verstärkt an diese Aufgabe anzupassen. Ausbildungsbetriebe müssen sich künftig wieder auf die Ausbildungsreife der Schulabsolvent/innen verlassen können.

5) Haben Sie auch konkrete Vorstellungen bezüglich der Durchlässigkeit von Bildungswegen?
Wir befürworten eine Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung (Studium mit Meisterbrief und Berufsabitur). Die Besten müssen die Möglichkeit haben, aufsteigen zu können.

6) Wie möchten Sie gewährleisten, dass die Themen zur beruflichen Bildung über das Wahlprogramm und über einen möglichen Koalitionsvertrag hinaus auch wirklich in der politischen Arbeit umgesetzt werden?
In unserer politischen Arbeit haben wir in der gegenwärtigen Legislaturperiode durch unterschiedliche parlamentarische Initiativen kontinuierlich unsere Positionen in bildungspolitischen Themen vertreten. Durch eine Vielzahl an Anträgen konnten wir so immer wieder konkrete Vorschläge unterbreiten, wie die Situation, speziell auch im Bereich der dualen Ausbildung, verbessert und die berufliche Bildung gestärkt werden kann. Manchmal gelingt es, dass die Regierungsparteien unsere Anregungen aufgreifen und umsetzen. Auch in der kommenden Legislaturperiode werden wir weiterhin an diesem Kurs festhalten.

DIE LINKE

Birke Bull-Bischoff, MdB, Bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag

 

1) Hinsichtlich der kommenden Bundestagswahl: Wie sehen Ihre konkreten Vorschläge im Bereich der beruflichen Bildung aus?
DIE LINKE setzt sich u. a. ein für:
- Der Übergangsbereich muss entschlackt werden, um den Maßnahmen-Dschungel und die Warteschleifen für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz zu reduzieren: Beschränkung auf Bildungsmaßnahmen mit 50 % betrieblichem Anteil und Erwerb eines Schulabschlusses sowie Einstiegsqualifizierung.
- Am Ende von berufsvorbereitenden Maßnahmen muss ein verbindliches Ausbildungsangebot stehen.
- Berufsbildungspersonal braucht Qualifizierung zum Lernen/Lehren mit digitalen Medien sowie Ausbau und Absicherung der Ausbilder/innen-Qualifizierung und Aufstiegsqualifizierung zur Lernprozessbegleitung.
- Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung sollen einen anerkannten Berufsabschluss machen können. Dazu sollen Umschulungen bedarfsgerecht verlängert und der Zugang zur Externen-Prüfung erleichtert werden.

2) Welche besonderen Schwerpunkte möchte Ihre Partei dabei setzen?
DIE LINKE setzt sich für die Abschaffung des Schulgelds und für die Einführung einer Ausbildungsvergütung in den Gesundheits-/Pflege- und Erziehung/Sozialen Berufen ein. Sollen diese Berufe Attraktivität und bessere Arbeitsbedingungen erlangen, ist die schulische Berufsausbildung zu reformieren, um gleiche Ausbildungsbedingungen, Mitbestimmungs- und Schutzrechte wie die bei den Auszubildenden der dualen Ausbildung zu gewährleisten. Dazu fordert DIE LINKE Bundesgesetze.

3) Wie möchten Sie die berufliche Bildung stärken?
Digitalisierung darf nicht zur sozialen Spaltung führen. DIE LINKE verlangt, berufsbildende Schulen, Bildungsträger, Berufsbildungswerke, Jugendberufshilfe angemessen mit digitaler Infrastruktur auszustatten, dazu gehören sowohl Endgeräte für die Auszubildenden als auch IT-Fachkräfte in den Bildungseinrichtungen.
Es steht zu befürchten, dass der Rückgang der Ausbildungsplätze weiter fortschreitet. Um Dellen im Ausbildungsmarkt wie etwa durch die Pandemie abzufedern, krisenfeste Ausbildungsverhältnisse und die Kostenentlastung von Ausbildungsbetrieben zu ermöglichen, fordert DIE LINKE die solidarische Umlagefinanzierung. Die Beispiele der Baubranche und der Altenpflege NRW bestätigen eine erhöhte Ausbildungsbereitschaft der Betriebe und neue Ausbildungsplätze, die das duale System stärken.

4) Welches Optimierungspotenzial sehen Sie angesichts des aktuellen Fachkräftemangels, angesichts unbesetzter Ausbildungsstellen und Jugendarbeitslosigkeit?
Die Einführung einer Ausbildungsgarantie, d. h. Rechtsanspruch auf eine vollqualifizierende Ausbildung, die jedem Jugendlichen den Weg zu einem Berufsabschluss öffnet, und dies rechtlich im Berufsbildungsgesetz verankert. Die Ausbildungsgarantie soll für alle Jugendlichen unter 25 Jahre gelten, die zum 30. September des Jahres noch einen Ausbildungsplatz suchen.

5) Haben Sie auch konkrete Vorstellungen bezüglich der Durchlässigkeit von Bildungswegen?
Aus Gründen der Digitalisierung, Durchlässigkeit, Motivation und Zielperspektive ist ein Rechtsanspruch bei erfolgreichem Ergebnis einer 2-jährigen Ausbildung zu gewährleisten, um den Durchstieg zu einem vollqualifizierenden Berufsabschluss mit 3-jähriger Ausbildung anzuschließen.

6) Wie möchten Sie gewährleisten, dass die Themen zur beruflichen Bildung über das Wahlprogramm und über einen möglichen Koalitionsvertrag hinaus auch wirklich in der politischen Arbeit umgesetzt werden?
Die Ergebnisse der „Enquetekommission berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ (ab Juni 2021), auf die DIE LINKE bzgl. sozialer Gleichheit starken Einfluss genommen hat, bieten in der kommenden Legislaturperiode sehr gute Ansatzpunkte für bildungspolitische parlamentarische Initiativen der Fraktion DIE LINKE.

Bündnis 90/Die Grünen

 

Beate Walter-Rosenheimer, MdB, Sprecherin für Jugendpolitik und Aus- und Weiterbildung Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ausschuss für Bildung, Forschung, Technikfolgenabschätzung, Obfrau in der Enquetekommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“

1) Hinsichtlich der kommenden Bundestagswahl: Wie sehen Ihre konkreten Vorschläge im Bereich der beruflichen Bildung aus?
Die Erarbeitung unseres Wahlprogramms ist derzeit im Gange, da kann ich Ihnen noch nicht das Ergebnis nennen und bitte um Geduld. Gern nenne ich aber meine persönlichen Vorstellungen und die der grünen Fraktion im Bundestag und was wir uns für die berufliche Bildung wünschen und umsetzen wollen:
Wir haben umfassende Vorschläge für eine dringend erforderliche Weiterbildungsoffensive gemacht (gemeint ist der Fraktionsbeschluss „Weiterbildung garantiert“ vom 17. Dezember 2019, Anm. d. Red.). Wir denken Weiterbildung für Menschen in der Erwerbslosigkeit und für die mit Jobs, aber dem Wunsch nach mehr Qualifikation, zusammen. Für alle fordern wir ein Recht auf Weiterbildung und die Freistellung hierfür sowie die Möglichkeit, anschließend in Voll- oder Teilzeit wieder in ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis zurückzukehren. Finanziert werden sollen die Bildungsmaßnahmen durch öffentliche Gelder, der Lebensunterhalt durch Weiterbildungs-BaföG oder Weiterbildungsgeld. Wir wollen mehr über die Angebote informieren, durch eine Internetplattform, aber auch in Bildungsagenturen, die vergleichbar den Jugendberufsagenturen gestaltet sind, von allen Akteur/innen der Weiterbildung getragen und besetzt sind und über die Angebote, Aussichten und die Finanzierung informieren.
Wir wollen in der Beruflichen Erstausbildung für mehr und bessere Ausbildung und Vergütung sorgen. Wir brauchen dringend Fachkräfte in Gesundheit, Soziales und Pflege und wollen, dass hier niemand mehr Schulgeld bezahlen muss. Es hat sich gezeigt, dass Pflegeberufe attraktiv sind, wenn sie hohe Praxisanteile haben und die Vergütung schon in der Ausbildung stimmt. Demgegenüber liegt die Mindestausbildungsvergütung in den traditionellen dualen Berufen nach Berufsbildungsgesetz und Handwerksordnung viel zu niedrig; wir sehen den Einstieg bei knapp 700 Euro, denn sonst kann kein Azubi von dem Geld auch nur annähernd selbstständig leben.

2) Welche besonderen Schwerpunkte möchte Ihre Partei dabei setzen?
Einen Schwerpunkt wollen wir neben der Umsetzung unserer Vorstellungen zur Weiterbildung – hoffentlich bald nach Beendigung des Lockdowns – auf die Gewinnung von Auszubildenden setzen. Neben dem Gesundheits- und Sozialwesen wollen wir im Klimabereich das Notwendige tun, um die Pariser Klimaziele umzusetzen. Da eine Studie des FIBS unlängst gezeigt hat, dass nicht der duale Berufsbildungsbereich, sondern unser Übergangssystem wesentlich dazu beiträgt, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland im europäischen Vergleich noch recht gering ist, setzen wir darauf, dieses Potenzial an jungen Menschen – wir sprechen hier über jährlich rund eine Viertelmillion – für echte Ausbildung zu nutzen. Unsere grüne Ausbildungsgarantie ist der Hebel dafür. Sie stammt aus 2016 und wir prüfen aktuell, wo Anpassungsbedarf ist.

3) Wie möchten Sie die berufliche Bildung stärken?
Wir sehen einen ganz wichtigen Ansatzpunkt bei der Gleichstellung und Gleichbehandlung von beruflicher und akademischer Bildung. Hier setzen wir an. Wir wollen, dass gleiche Qualifikation gleich gut bezahlt wird. Dazu wollen wir den DQR gesetzlich verankern. Dann ist der Weg offen, dass kein Unterschied mehr gemacht wird bei der Vergütung auf einer Qualifikationsstufe, je nachdem, ob sie auf beruflichem oder akademischem Weg erworben wurde. Derzeit bestehen noch Riesenunterschiede bei der Bezahlung beruflich und akademisch Qualifizierter, die oft brutto in mehrere Tausend gehen.
Und wir wollen die Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung auch bei den Kursangeboten und den Lebenshaltungskosten. Der Besuch von Hochschulen ist kostenlos, dann muss das auch für Aufstiegs- und Fortbildungslehrgänge gelten, wenn Studierende Anspruch auf BaföG haben, das ihren Lebensunterhalt einigermaßen sichert, müssen auch beruflich Qualifizierte Anspruch auf ein Weiterbildungs-BaföG haben, das ihren Lebensstandard berücksichtigt. Da es oft Menschen mit Kindern sein werden, soll der monatliche Betrag natürlich deutlich höher sein.

4) Welches Optimierungspotenzial sehen Sie angesichts des aktuellen Fachkräftemangels, angesichts unbesetzter Ausbildungsstellen und Jugendarbeitslosigkeit?
Wie schon gesagt, sehen wir einen wichtigen Ansatzpunkt bei dem Abbau von Warteschleifen und deren Umwidmung in echte Ausbildungsplätze. Wo Betriebe sich aus der Ausbildung zurückziehen, müssen überbetriebliche Lösungen gefunden werden. Da legen wir Grüne uns seit langem fest. Wir können Betriebe ja nicht zum Ausbilden zwingen. Die Corona-Ausbildungsprämien zur Ankurbelung der betrieblichen Ausbildung haben ja bislang nicht den erhofften Erfolg gehabt. Ob dies also der Weg ist, mehr Betriebe zur Ausbildung zu motivieren, muss sich zeigen.

5) Haben Sie auch konkrete Vorstellungen bezüglich der Durchlässigkeit von Bildungswegen?
Hier darf ich wieder auf unsere klare Haltung zur Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung verweisen. Wo Qualifikationen nach dem DQR als gleichwertig anerkannt sind, fällt es auch leicht, zwischen Bildungswegen zu migrieren. Erste Schritte zur Öffnung von Hochschulen für beruflich Qualifizierte gibt es ja bereits; nach unserer Einschätzung muss da noch viel mehr passieren. Umgekehrt müssen etwa Studienabbrechende die Möglichkeit haben, dass ihre Studieninhalte, wenn sie berufsnah sind, auch auf ihre Aus- oder Weiterbildung angerechnet werden können. Da müssen die beruflichen Qualifikationsmodule in der Weiterbildung, insbesondere aber in der Ausbildung, deutlich offener gestaltet und angepasst werden.

6) Wie möchten Sie gewährleisten, dass die Themen zur beruflichen Bildung über das Wahlprogramm und über einen möglichen Koalitionsvertrag hinaus auch wirklich in der politischen Arbeit umgesetzt werden?
Wahlprogramm und Koalitionsvertrag dienen ja der Umsetzung politischer Vorhaben und Vorgaben. Sie sind daher schon gute Garanten für politische Wirksamkeit, letztere aber auch für politischen Kompromiss. Wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie wissen, wie wir unsere originär grünen Positionen umsetzen? Ich kann Ihnen versichern, Bildung ist uns Grünen neben Klimaschutz und Gerechtigkeit für alle ein ganz zentrales Thema. Wir werden das 7%-Ziel für Bildung im Haushalt einfordern, von dem wir in Deutschland noch weit entfernt sind. Und wir nehmen Bildung als lebensbegleitendes Lernen und damit die Menschen und ihr Erkenntnisinteresse und ihre Karrieremöglichkeiten ernst. Das macht unser Menschenbild aus.

Weitere Fachbeiträge und Best-Practices finden Sie im WorldSkills Germany Magazin, dem Fachmagazin für Talentmanagement, berufliche Wettbewerbe und außerschulisches Lernen.

Jetzt informieren

Dr. Götz Frömming, MdB (Foto: Olja Grenner)

Top

© Copyright 2024 | WorldSkills Germany e. V. | All Rights Reserved

cross