Transformation in der Ausbildung

18. April 2021

Mit Covid-19 in die Veränderung und zum Erfolg!

Dieser Beitrag erschien in Auszügen im WorldSkills Germany Magazin – Ausgabe 19 (April 2021). Lernen Sie unser Fachmagazin für Talentmanagement, berufliche Wettbewerbe und außerschulisches Lernen kennen >>

Autorin dieses Beitrags ist Frau Prof. Dr. Barbara Kreis-Engelhardt.
Sie ist Professorin für e-business, Leadership und Business-Transformation an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen sowie Founder, Beraterin, Trainerin & Coach am Ammersee-Mental-Zentrum und Vizepräsidentin Berufsausbilder-Verband (BAV) Bayern e. V.

„Nichts ist beständiger als der Wandel“. Was als Volksweisheit leicht dahin gesagt wird stimmt, in diesen Tagen mehr denn je. Durch die fortschreitende Globalisierung und Digitalisierung befindet sich die Welt kontinuierlich in einem Wandel. Für viele ausbildende Unternehmen stellen die Covid-19-Pandemie, der Mangel an Fachkräften, der bevorstehende Generationenwechsel und der demografische Wandel Herausforderungen dar. Dabei hält die Pandemie auch der beruflichen Ausbildung und den Beteiligten einen Spiegel vor.

Veränderungsbedarfe mit dem Ziel einer qualifizierten Aus- und Weiterbildung im Zeitalter der Transformation erfordern eine schnelle Adaption an die aktuellen Gegebenheiten. Agilität gewinnt sowohl in Projektabwicklung wie in der Krisenbewältigung an Bedeutung. Bei genauer Betrachtungsweise klaffen jedoch die Reaktionen aller Beteiligten am Ausbildungsprozess immer weiter auseinander, wenn Stress entsteht. Die COVID-19 Pandemie macht schonungslos unterschiedliche Werte und Zielvorstellungen generationsübergreifend sichtbar und zeigt auf, was problematisch ist. Sie hält ohne zu fragen allen Menschen, auch den Ausbilderinnen und Ausbildern einen Spiegel vor Augen und gibt Bereichen wie Politik, Gesellschaft und Wirtschaft die Chance, neu zu denken und Neues zu erschaffen. Dies gilt auch in hohem Maße für die betrieblichen Aus- und Weiterbildung.

Foto: ThisIsEngineering/Pexels

So werden z. B. Forderungen nach New Work laut und berühren sicher auch langfristig den Ausbildungsbereich im Unternehmen. Ebenso verstärken sich die Forderungen nach Veränderungen in der Arbeit durch die Werte der Generation Z, konfrontieren die Ausbildung allerdings auch mit all den durch die Pandemie aufgezeigten Ängsten, Wünschen und Sehnsüchten der neuen Generation. Ebenso stehen die berufsbildenden Schulen mit der Art und Weise des Lehrens auf dem Prüfstand und auch vor den Kammern machen die veränderten Rahmenbedingungen bei der Prüfungs-Zertifizierung keine Ausnahme.

Doch welche Stellschrauben können nun im Detail gedreht werden, um Stabilität in ein sich stetig veränderndes System zu bringen, und um nachhaltig mit gut ausgebildetem Personal den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen?

Stellschraube Betriebliche Ausbildung

Führung von Auszubildenden

Eine Investition in die Auszubildenden ist eine Investition in die (eigene) Zukunft. Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg von Ausbildung in Unternehmen sind qualifizierte Ausbilder/innen und Führungskräfte. Die gegenwärtige Covid-19-Pandemie sorgt neben der Digitalisierung und dem Wertewandel für weitere Komplikationen und stellt die Führungsebene vor die Herausforderung, geeignete Leitkonzepte zu entwickeln, durchzusetzen und zu etablieren (Grote (2012): Die Zukunft der Führung, S. 41). Daher gilt es die Führung von Auszubildenden regelmäßig zu analysieren und lebenslang adäquat zu optimieren. Dies ist vor allem deshalb notwendig, da in naher Zukunft die Generation Z mit rund 12 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine enorme Reichweite erlangen und mit ihren Ideen und Standards auch künftige Generationen in Unternehmen prägen wird. Diese gilt es als Ausbilder/in optimal auszubilden und zu begleiten.

Mögliche Ansätze in der Führung sind dabei Kombinationen aus transaktionaler und transformationaler Führung in Verbindung mit Ansätzen aus den Neurowissenschaften (z.B. Neuroleadership), Achtsamkeitsbasierter Führung und mentaler Potenzialentfaltung, bei welcher der Mensch mit seinen Werten, Bedürfnissen und Zielen im Mittelpunkt steht. Vereint im 7-S-Success-Model bekommen der/die Ausbilder/in als Führungskraft sowie vorgesetzte Führungskräfte einen Werkzeugkasten an die Hand, in welchen sie situativ greifen und Auszubildende individuell führen können.

Ein vorwiegend transformationaler Führungsstil mit Verwendung des Werkzeugkastens aus dem 7-S-Success-Modell ist geeignet, da er eine individuelle und vergleichsweise sehr umfangreiche individuelle Unterstützung und Begleitung der Auszubildenden erlaubt und dabei „die inneren Helfer“ oder Antreiber in Bewegung gesetzt werden: die Auszubildenden werden begleitet, motiviert und finden Wege, ihre Kreativität, Entfaltung und Selbstständigkeit zu leben. Ausbilder/innen haben die Möglichkeit, die Auszubildenden für ihr Unternehmen und ihre Tätigkeit zu begeistern, weil sie eine Verknüpfung mit der Sinnhaftigkeit herstellen, welche von der Generation Z eingefordert wird. Dies wirkt sich zudem sehr positiv auf die psychische Gesundheit und das von den Auszubildenden gewünschte Gefühl von Sicherheit, Zugehörigkeit und die Möglichkeit persönlich und beruflich an seinen Aufgaben zu wachsen aus, was ebenso bei der Generation Z von hoher Bedeutung ist. So wird mit einer wertschätzenden transformativen Führung Veränderung auch in schwierigen Zeiten des Wandels in Verbindung mit positiven Emotionen und einer positiven Grundhaltung erlebbar gemacht und gleichzeitig die benötige Struktur vermittelt und die notwendigen Entwicklungsfreiräume geschaffen. Darüber hinaus werden Ausbildungsbetriebe attraktiv für die Generation Z trotz der aktuell teils schwierigen Umstände der COVID-19-Pandemie und haben zudem eine gute Chance, künftige kompetente Arbeits- und Fachkräfte auszubilden und von dem Potenzial der „Digital Natives“ zu profitieren, welche dieses gerade in diesen Zeiten und in Zukunft benötigte Knowhow wiederum ohne Widerstände und Ängste in die Unternehmen einbringen können.

Abbildung Prof. Dr. Barbara Kreis-Engelhardt

Qualifizierung von Ausbilderinnen und Ausbildern

Auch in der Ausbildung für Ausbilder/innen (ADA-Qualifizierung) bedarf es Veränderungen. Durchgängig in allen Handlungsfeldern dürfen Voraussetzungen und Maßnahmen einer digitalen Planung und Durchführung mit aufgenommen werden. Konkret bedeutet dies für das Handlungsfeld 1 „Ausbildungsvoraussetzungen prüfen und Ausbildung planen“ der grundsätzliche digitale Medienkompetenzerwerb der Ausbilder/innen. Im Handlungsfeld 2 „Ausbildung vorbereiten und bei der Einstellung von Auszubildenden mitwirken“ bedarf es hingegen des Erwerbs von Medienkompetenzen hinsichtlich einer adäquaten Online-Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern inkl. persönlichem Online-Auswahlverhalten. Für Handlungsfeld 3 „Ausbildung durchführen“ dürfen Fähigkeiten und Fertigkeiten zur digitalen agilen Zusammenarbeit erworben werden. In Handlungsfeld 4 „Ausbildung abschließen“ werden Kompetenzen in digitaler Bewertung und Beurteilung ein sinnvoll ergänzender Ausbildungsbaustein. Um mit diesen zusätzlichen Anforderungen und Veränderungen als Ausbilder/in gut zurecht zu kommen, gilt es, sich in Zukunft auch tiefer mit den bei Ausbilderinnen und Ausbildern möglicherweise vorhandenen Ängsten, Emotionen und dahinterstehenden mentalen Gedankenmustern auseinandersetzen. Damit Ausbilder/innen Auszubildende besser in deren Ausbildungsprozess begleiten können rückt auch die Stärkung der Selbstreflexionsfähigkeit der Ausbilder/innen immer mehr in den Fokus einer erfolgreichen Ausbildung und darf in der ADA-Ausbildung in Zukunft ergänzend aufgenommen werden.

Stellschraube Bildung in beruflichen Schulen

Weitere Stellschrauben gilt es für die Bildung in beruflichen Schulen zu verändern, um die Ausbildung für die Zukunft erfolgreich zu transformieren, welche in einem kurzen Forderungskatalog skizziert werden:

  • Veränderung der Zulassungsbestimmungen für ein Wirtschaftspädagogik-Studium: Weniger Gewicht der Abitur-Note, mehr Potenzial-Eignungsprüfung, Forderung einer beruflichen Ausbildung im Vorfeld, um einen geeigneteren Fit zum Finden der richtigen Berufung zu gewährleisten.
  • Weiterentwicklung des Lehramts-Curriulums für berufliche Schulen: Erhöhung der Stundenzahl für die Qualifizierung von sozialen Kompetenzen mit Selbstreflexionsmöglichkeiten, um mit den Anforderungen des Berufsbildes und den Wünschen und Haltungen der Auszubildenden gut zurechtzukommen.
  • Einführung eines Mentorings in der Berufseinsteigerphase durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen und Flankierung durch geeignete Berufsverbände.
  • Verstärkung der Netzwerkbildung mit ausbildenden Unternehmen (d.h. regelmäßige Netzwerktreffen – Präsenz und virtuell), um gemeinsam den Ausbildungsprozess zu gestalten
  • Einführung von neuen Fächern im Lehrplan der beruflichen Ausbildung: Potenzialentfaltung in Verbindung mit Achtsamkeitsschulung, wertschätzender Kommunikation und mentaler Stärke & Digitale Kompetenzen, agilem Denken und Handeln (Projektmanagement).
  • Einführung von Inverted Classroom Modellen in beruflichen Schulen, um die Aktivitätsbereitschaft und die Lerneffizienz zu erhöhen.
  • Verstärkte Nutzung von prozessbegleitenden Prüfungen gleichwertig zu „Schulaufgaben“, um zu einem kontinuierlichen Lernen zu befähigen.

Stellschraube Kammern und Prüfungswesen

Um betriebliche Ausbildungen ganzheitlich zu transformieren darf es als weitere Stellschraube auch zu Veränderungen bei den Kammern und dem dort angesiedelten Prüfungswesen kommen. Im Einzelnen bedeutet dies:

  • Verstärkung und Verbesserung einer kontinuierliche Prüfer-/innenqualifizierung gerade auch im Umgang mit digitalen Medien – auch in den Prüfungen – sowie Stärkung der Fähigkeiten zur Selbstreflexion und Ausbau der Befähigung zum Stärken stärken der Prüflinge.
  • Regelmäßige Überprüfung der Prüfungsfähigkeit einschließlich offener Diskussion zum Thema „Prüferführerschein“ und „nachweisbarer aktuell vorhandener Praxisbezug“ von Prüfenden (z.B. mit Gültigkeitsdauer des Prüferzertifikats).
  • Es gilt die „ehrenamtliche Prüfungstätigkeit“ auf den Prüfstand zu stellen. Ziel dabei in Zukunft könnte sein, eine adäquate Honorierung entsprechend Qualifikation und Aufwand zu schaffen, um die Qualität nachhaltig und langfristig sicherzustellen. Hier könnten Verbände wie z. B. der Berufsausbilder-Verband für eine neutrale Bewertung im Sinne einer Akkreditierung zwischengeschalten werden, um einen passenden Fit zwischen Prüferqualifikation und Prüferentlohnung neutral zu bewerten. Ferner kann der Verband hier auch als neutraler Multiplikator zur Gewinnung qualifizierter Prüfer/innen aus der Wirtschaft verstärkt wirken.
  • Ferner ist auch zu überlegen, ob nicht prozessbegleitende Prüfungen statt „einmaligem Auswendiglernen für Abschlussprüfungen“ für einen verbesserte Lernerfolg hilfreich wären. So könnten wie im Bologna-Vertrag für Hochschulen durch eine Art Credit-Point-System zu kontinuierlicher Lernlust statt Lernfrust (auch ausbildungsberufsübergreifend) neue Wege in der Ausbildung der Zukunft neu beschritten werden und die Transformation der beruflichen Bildung positiv gestaltet werden.

Fazit: Wenn alle drei Stellschrauben Ausbildung im Unternehmen (Führung und Ausbilderqualifikation), berufliche Schulausbildung in Berufsschulen und das Prüfungswesen in Kammern in der beruflichen Ausbildung überprüft und neu gedacht und verändert werden, hat die berufliche Ausbildung dank des Treibers und „Finger in die Wunde Legers“ Corona in Europa die Chance, wirklich nachhaltig und für die Zukunft erfolgreich zu sein. Unternehmen können sich mit motivierten Auszubildenden zukünftiger Generationen neben der Konkurrenz behaupten und wiss- und lernbegierige junge Erwachsene mit Potenzial gewinnen. Was wiederum die Durchsetzungsfähigkeit der beruflichen Ausbildung im Markt gegen eine zunehmend breite Masse an konkurrierenden Ausbildungsangeboten im Aus- und Weiterbildungsmarkt im In- und Ausland stärkt

Linktipps von Frau Prof. Dr. Barbara Kreis-Engelhardt:
Bundesverband Deutscher Berufsausbilder e. V. (BDBA) >>
Ammersee-Mental-Zentrum >>
Azubis führen in Zeiten von Corona - Tipps für Führungskräfte und Erkenntnisse der Ausbildungsstudie 2021 >>

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